: „Ausländerbeiräte sind Testfelder für Islamisten“
■ Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer zur Rolle der Ausländerbeiräte und der Islamisten
taz: Herr Heitmeyer, die Teilnahme zu den Wahlen der Ausländerbeiräte in Hessen hat stark abgenommen. Wäre es da nicht angebracht, die Institutionen abzuschaffen?
Wilhelm Heitmeyer: Eine Abschaffung läge angesichts der Ergebnisse nahe. Wir täten aber gut daran, die Mitsprachemöglichkeiten auszuweiten. Es ist verantwortungslos, wenn man es angesichts der demographischen Veränderungen in den Großstädten bei den Ausländerbeiräten beließe – in Nordrhein-Westfalen werden wir in bestimmten Altersgruppen in 15 Jahren einen Ausländeranteil von 40 Prozent haben.
Was soll denn aus den Beiräten werden?
Das Problem ist doch, daß die Beiräte kaum Rechte haben. Besser wäre es, wenn die hier lebenden Immigranten direkt in den Gemeinderäten oder Stadtparlamenten säßen. Die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen deuten ja, ähnlich wie in Hessen, darauf hin, daß die Ausländerbeiräte immer mehr an Bedeutung verlieren.
In Frankfurt am Main haben die Islamisten die Wahlen der Ausländerbeiräte gewonnen. Drohen die Beiräte von diesen Gruppen dominiert zu werden?
Das kann man so pauschal nicht beantworten, weil die Unterschiede von Land zu Land doch erheblich sind. In Nordrhein-Westfalen haben die islamistischen Gruppen die Ausländerbeiräte als Testfeld begriffen, zugleich aber einsehen müssen, daß sie mit ihren Vorstellungen an kommunalpolitische Grenzen stießen. Mittlerweile engagieren sie sich weitaus stärker in der Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte, weil hier, wie etwa bei der Forderung nach einem islamischen Religionsunterricht, die Chance größer ist, auf die Landespolitik einzuwirken.
Zu welchen Konsequenzen hat die starke Präsenz islamistischer Gruppen in nordrhein-westfälischen Ausländerbeiräten geführt?
Kommunale Verwaltungen reagierten verhalten, weil sie glaubten, jetzt kämen massenhaft Forderungen nach Moscheen, Muezzinruf und ähnlichem auf. Sie antworteten mit bürokratischen Hürden und rechtlichen Verfahren. Das aber hat die Distanz zwischen Verwaltung und Ausländerbeiräten nur noch vergrößert. Interview: Severin Weiland
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