: Explosives Hobby
Sturmgewehre, Splittergranaten und Munition im Keller: Bewährung für skurrilen Sammler ■ Von Ralf Streck
Die Richterin sucht aufgeregt nach der Schöffin. Die kommt zu spät, leistet ihren Eid auf die Verlassung der Freien und Hansestadt Hamburg, bemerkt den Fehler und bemüht „oh Gott“. Doch Hans Ernst Karl S. aus Altona ist nicht zum Lachen zumute. Angespannt steht der 61jährige kräftige Maschinenschlosser da, Schweiß auf der Stirn, die Hand in seine Schirmmütze gekrallt. Wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Waffen- und Sprengstoffgesetz mußte er sich gestern vor dem Amtsgericht verantworten.
Ausgerechnet auf der Reeperbahn war der Frührentner aufgefallen, weil ihm ein Revolver aus der Jacke guckte. „Ich bin am Hafen längs gegangen“, erinnert sich S. mit gepreßter Stimme. „Warum bewaffnet?“fragt die Richterin. „Wegen der Chaoten-Häuser“habe er Angst vor einem Überfall gehabt. Vielleicht hätte er ja woanders spazieren gehen können, regt die Richterin an. Vielleicht, dann wäre ihm vieles erspart geblieben.
Denn die Polizisten, die S. am 19. September 1996 durchsuchten, förderten neben einem aufgebohrten Schreckschußrevolver auch zwei Schießkugelschreiber zutage. Doch erst in seinem Haus staunten die Beamten. Sturmgewehre, Splittergranaten, Panzergranatpatronen, Zünder, Detonatoren und dergleichen mehr stapelten sich im Keller.
Kriegsgerät sei seine Leidenschaft, erklärt der Angeklagte das Waffenlager. Die Sturmgewehre habe er als Sammlerstücke auf einem Markt gekauft, die seien unbrauchbar gemacht worden. Die ungefüllten Granaten stammten aus dem Versandhandel, und der Rest – Munition und Sprengstoff - hauptsächlich von einem Truppenübungsplatz der Russen in Wittloch. Dort, so S., habe man nach der Maueröffnung ungehindert herumstöbern können. Bleiben die drei Schreckschußrevolver, die er scharf gemacht hat. „Da hätte man auf fünf Meter nicht mit getroffen“, rechtfertigt sich S.
Ein Jahr und neun Monate auf Bewährung hat die explosive Sammelleidenschaft Hans Ernst Karl S. einebracht. Das umfassende Geständnis, keine Vorstrafen und die Einsicht, einen gefährlichen Fehler begangen zu haben, ließen ihn mit einem blauen Auge davonkommen. Und nicht zuletzt seine „soziale Kompetenz“, die ihm ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt: S. ist seit 40 Jahren verheiratet und hat drei Kinder.
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