: Mißstände sind nicht strafbar
■ Staatsanwalt Frischmuth vor dem Untersuchungsausschuß: „Ruck-zuck“mußte die Kripo ihre Knast-Ermittlungen beenden
Warum mußte die Ermittlungsgruppe der Kripo ihre Arbeit im Knast einstellen? Wann ist das Justizressort informiert worden? Diese Fragen beschäftigten gestern den Knast-Untersuchungsausschuß, der die Mißstände in der JVA Oslebshausen aufklären soll. „Ruck-zuck“und ohne sein Wissen sei die Ermittlungsgruppe damals eingestellt worden, bestätigte der Chef der Bremer Staatsanwaltschaft, Jan Frischmuth, gestern. „Das waren etwas merkwürdige interne Vorgänge“, sagte er.
Die Kripo hatte 1995 im Knast ermittelt, nachdem sie Hinweise auf einen Drogenhandel und Mißhandlungen erhalten hatte. Insgesamt 79 Ermittlungsverfahren wurden im Anschluß an die Arbeit der Kripo eingeleitet. Darunter auch ein Verfahren gegen einen JVA-Beamten wegen sexueller Nötigung, der inzwischen rechtskräftig verurteilt ist (taz 7.2.97). Trotzdem mußten die Beamten ihre Ermittlungen im Juni 1995 einstellen. Jede Akte versahen die Kripoleute daraufhin mit einem Vermerk, aus dem ihre „leichte Verstimmung“, wie Frischmuth es gestern nannte, sprach: Eine weitere Bearbeitung sei erforderlich, doch ihre Ermittlungsgruppe sei aufgelöst worden.
Ob die Einstellung der Ermittlungsgruppe etwas mit der Wahl des Senats wenige Tage zuvor zu tun hatte, wollte Helmut Pflugradt (CDU) wissen. Die Kripo-Beamten hatten in ihrem Abschlußbericht geäußert, daß ihre Ermittlungen durch die Bürgerschaftswahl im Mai 1995 erschwert worden waren, weil einige Häftlinge damit gedroht hatten, die Zustände in Oslebshausen öffentlich zu machen (taz 27.9.). Damit hätten sie unter Umständen der SPD im Wahlkampf geschadet. Der damalige Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff, ein Sozialdemokrat, war 1989 auf Geheiß der SPD nach Oslebshausen gegangen. Nach der Wahl im Mai 1995 blieb das Justizressort bei der SPD. Frischmuth verneinte: „Ich glaube nicht, daß da ein Geheimnis hintersteckt.“
Ab wann das Justizressort über die Ermittlungen im Knast informiert worden sei, wollte Andreas Lojewski wissen. Von Anfang an, antwortete Frischmuth. Wrobel „der Vertraute des Senators“sei nach der ersten Sitzung sogar angehalten worden, Henning Scherf (SPD) zu informieren. Das ergibt sich auch aus einem Protokoll vom 9. November 1994 (taz 27.9.). Das Justizressort habe weder von dem Einsatz noch von der Einstellung einer geheimen Ermittlungsgruppe der Kripo im Knast gewußt, zitierte Karoline Linnert daraufhin Göbel aus dem Protokoll der Justizdeputation vom 8. September 1995. „Das muß ein Schreibfehler sein“, antwortete Frischmuth prompt. Wrobel und Göbel hätten von den Ermittlungen im Knast gewußt. Göbel bestreitet das nicht. Er habe nur von den Ermittlungen einiger Beamten gewußt, sagte er gestern gegenüber der taz. Daß es eine regelrechte Ermittlungsgruppe gegeben habe, hätte er aber erst aus der Zeitung erfahren.
Um den „Sumpf“im Knast trockenzulegen, sei die Gruppe eingesetzt worden, so Frischmuth. Die Beamten hätten jedoch keine strafrechtlich relevanten Tatsachen ermittelt. Die Ermittlungen im Knast seien alles andere als leicht gewesen. Die Beamten hätten die Häftlinge beispielsweise nicht ungestört vernehmen können. Das sei „ein ständiges Thema“auf den Besprechungen zwischen Kripo, Staatsanwaltschaft und Justizressort gewesen.
Die Beamten hätten schon 1994 in einem Vermerk davor gewarnt, daß „es im Knast zu einer explosiven Situation kommen könne“(taz 27.9) hielt Andreas Lojewski Frischmuth vor. Ob er heute zu einer anderen Bewertung der Arbeit der Kripo kommen würde. „Im Nachhinein ist man natürlich schlauer“räumte Frischmuth ein. Gleichwohl seien Mißstände nicht immer strafrechtlich relevant. kes
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