piwik no script img

SPD spricht von Schnellschüssen

■ Aktuelle Stunde zur Lage der Rente im Bundestag. Mit einem Telefonangebot versucht die Koalition, die SPD zu neuen Verhandlungen zu bewegen. Grüne sprechen von taktischen Spielen

Bonn (taz) – CDU und SPD überbieten sich gegenseitig mit Angeboten für eine Lösung bei der Renten- und Steuerreform. Die Koalition hat der SPD gestern offizielle Gespräche über beide Komplexe angeboten. Für die SPD wiederum sagte der Rentenexperte Gerd Andres in einer Aktuellen Stunde über die Situation der Altersversorgung: „Mit uns gemeinsam kann ein Rentenversicherungsbeitrag von 21 Prozent verhindert werden.“ Trotz dieser Beteuerung: die Parteien sind von einer Einigung weit entfernt.

Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) bot SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering telefonisch die Zusammenarbeit an, nachdem Finanzminister Theo Waigel (CSU) am Dienstag unter dem Eindruck der Steuerausfälle in den Jahren 1997 und 1998 von zusammen rund 40 Milliarden neue Gespräche vorgeschlagen hatte. Waigel bezeichnete die Steuerausfälle als schlagenden Beweis für eine Steuerreform. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping und die Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier hatten sich grundsätzlich für einen neuen Anlauf bei der Steuerreform ausgesprochen.

Müntefering antwortete Bohl, die SPD sei zwar bei Steuern und Rente an vernünftigen Ergebnissen interessiert, wies aber dessen Gesprächsangebot zurück: „Solche substanzlosen telefonischen Schnellschüsse der Koalition führen nicht weiter“, betonte er. Bohl habe keine „irgendwie erkennbaren inhaltlichen Konkretisierungen“ gemacht. Wenn es der Koalition mit ihren Bemühungen ernst sei, solle sie einen Vorschlag vorlegen, der von den Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP getragen werde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Peter Struck, sagte, es komme nicht in Frage, daß die Koalition wegen Uneinigkeit in den eigenen Reihen die SPD wie beim Billard als Bande benutze, um sich selbst die Bälle gegenseitig zuzuspielen. Struck spielt damit unter anderem darauf an, daß die CDU die Rentenstrukturreform auf Drängen der FDP – aber im Widerspruch zur CSU – auf 1998 vorziehen will. Der Grünen-Politiker Oswald Metzger nannte die gegenseitigen Gesprächsangebote substanzlos und reine Taktik.

In der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde blieb denn auch alles beim alten. Die SPD machte die Koalition erneut für den Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge verantwortlich. Ein Vorziehen der Rentenreform auf 1998 werde die SPD nicht akzeptieren, sagte der Sozialexperte Ottmar Schreiner. Es sei eine Umfinanzierung durch Verbrauchssteuern erforderlich. Indem er den Plural des Wortes Verbrauchssteuer benutzte, ließ er durchblicken, daß die SPD nicht allein mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer einverstanden ist, wie es die CDU vorhat. Einen entsprechenden Vorschlag hatte kürzlich Gerhard Schröder gemacht. Schreiner verlangte Sofortmaßnahmen gegen die Zunahme der sozialversicherungsfremden 610-Mark-Jobs. Dagegen sperrt sich die FDP. Markus Franz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen