: Junge Wilde weichgespült
■ Bei der CDU darf Opposition nicht weh tun
Die Gruppe der CDU-Abgeordneten, die als „junge Wilde“ firmieren, sind mit ihren Vorstellungen zum Staatsbürgerschaftsrecht gescheitert. Sie haben sich damit als das erwiesen, was sie von Anfang an waren: ein mediales Konstrukt. Gemein ist ihnen ein teils liberales, teils neoliberales Weltbild, vor allem aber der Anspruch, irgendwann einmal die Riege um Helmut Kohl zu beerben. Der flotte Begriff war ein Modernisierungslogo, das den Protagonisten selbst und dem Konrad-Adenauer-Haus zugute kam. Solange ihr Anliegen nicht ernsthaft auf die Probe gestellt wurde und sich in Interviewäußerungen und Appellen erschöpfte, profitierte die Partei von den „jungen Wilden“. Der Nutzen lag auf der Hand: Die Gruppe wirkt ins liberale Spektrum hinein, ihre Ideen korrigieren das Bild der unter Kohl erstarrten Partei.
Ihre Niederlage in der Fraktion ist für die „jungen Wilden“ doppelt bitter: Ihnen wurde deutlich gemacht, daß das Markenprodukt „junge Wilde“ ein Verfallsdatum hat, daß es dann einfach aus dem Sortiment genommen wird. Ihnen wurde signalisiert, daß die Partei weit entfernt davon ist, traditionelle Denkmuster in der Ausländerpolitik zu durchbrechen. Absehbar war, daß die Mehrheit der Abgeordneten dem konservativen Innenminister Manfred Kanther folgen würde, seit Helmut Kohl auf dem Deutschlandtag der Jungen Union das Schreckgespenst von sechs Millionen Türken als Folge einer Reform herbeigeredet hatte.
Es ist unwahrscheinlich, daß die „Wilden“ ihr Heil in einem interfraktionellen Gruppenantrag suchen werden. Ein so heikles Thema, wenige Monate vor der Bundestagswahl, hätte nur mit, aber nicht gegen die Partei durchgesetzt werden können. Eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts mit ihrer Hilfe – das würden die Konservativen als unverzeihlichen Verrat an der Parteidisziplin werten. Zudem: Das Durcheinander in der Koalition ist so groß, daß es mit einem Ausscheren aus der Fraktion nicht noch weiter vergrößert werden soll.
Das Gerede von den „jungen Wilden“ machte vergessen, daß sie in erster Linie Mitglieder der CDU sind. Mit der Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts sollte nicht nur den neuen Realitäten in dieser Republik Rechnung getragen werden, sie sollte vor allem auch das Erscheinungsbild der Union auffrischen. Daraus wird vorerst nichts – es bleibt bei den alten Farben. Severin Weiland Bericht Seite 6
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