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Press-SchlagBerti in der Defensive

■ Nach einem „schweren Jahr“ wähnt sich Vogts mit „neuem“ System auf WM-Kurs

Cesar Luis Menotti hat neulich gesagt, was ein Problem von Berti Vogts ist: Der DFB- Trainer sei „in einer Epoche gekommen, in der die großen Kreativkräfte fehlen“. Kein Beckenbauer, kein Walter, kein Overath, kein Schuster – bis auf weiteres auch kein Sammer.

Bloß Möller, Häßler, Basler (und Effenberg), aber die sind – bei allem Können – eine Nummer kleiner. Woraus folgt: Großer Fußball ist sowieso nicht drin, um große Gefühle auszulösen. Es geht also darum, erfolgreichen Fußball abzuliefern. Das Gefühl des großen Sieges, das hat die EM gezeigt, ist auch nicht zu verachten.

Wenn es bloß um den Erfolg geht, hatte Vogts zuletzt nichts zu beklagen: Für die WM ist der Verband qualifiziert, das Jahr hat man ungeschlagen überstanden, und der Trainer nähert sich mit 20 nicht verlorenen Spielen dem Startrekord seines Vorvorgängers Derwall. Der allerdings war am Ende erfolglos.

Wem das Genie fehlt, der braucht „Ordnung“. Ordnung ist Vogts' Lieblingswort und seine Obsession. Weil – unter anderem – die Konkurrenz fehlte, fehlte hie und da auch das Engagement – und am Ende die Ordnung. So hat er, wie er am Samstag gestand, ein „schweres Jahr“ hinter sich gebracht. Nun aber, da es gegen Weihnachten geht, hat ihn das lockere 3:0 gegen den harmlosen Afrika-Cup-Sieger Südafrika offenbar milde gestimmt.

Das furchtbare „Loch“ im Mittelfeld, das den Trainer seit einigen Spielen plagt, war für einmal gestopft. Zugeschaufelt von den Münchner Debütanten Dietmar Hamann und Jens Jeremies sowie der Führungskraft Thomas Helmer. Letzterer gab als Thon-Vertreter den Libero, den Vogts „zu 90 Prozent“ vor den beiden Manndeckern Linke und Wörns spielen ließ. Die beiden Neuen beschäftigte Vogts als „Scheibenwischer vor der Abwehr“ und bescheinigte ihnen, „ihre Sache phasenweise sehr gut gemacht“ zu haben.

Schuld am Loch, daran, daß „wir permanent den Raum für Konter öffnen“, sind für den Trainer hauptsächlich die beiden offensiven Mittelfeldspieler, die ihm nicht genügend nach hinten arbeiten. Daß einer, Möller mit Namen, wegen Knieproblemen nicht konnte, paßte Vogts gut in den Kram.

Statt unberechenbarer gelegentlicher Inspiration sucht er Mittelfeldspieler, die „defensiv denken“. Bei der EM hatte er Helmer und Eilts, nun, sagt er, „haben wir zwei junge Kerle“. Der Unterschied ist, daß Helmer im Vorjahr eine Mischung aus Wischer und Hilfs-Manndecker war – neben dem hauptamtlichen Manndecker Kohler. Diesmal hatte er gleich zwei Manndecker, nämlich Neuling Linke und Wörns.

Lange hatte Vogts beteuert, er werde festhalten an der „Vogts-System“ genannten 2-2-Offensiv-Ordnung. In Düsseldorf aber verkündete er mit fester Stimme: „Ich werde auch in Zukunft sicher nur mit einem Offensivspieler hinter den Spitzen spielen.“ Hoppla: Was soll, zum Beispiel, Andreas Möller davon halten? „Wer weiß, wer im Februar wieder alles verletzt ist“, wiegelte Vogts ab. Mitte Februar geht es nach Oman und nach Saudi-Arabien, um vorletzte Personalfragen zu klären. „28 bis 32 Spieler“, sagt Vogts, habe er jetzt auf seiner Liste. Hamann, Jeremies, Kmetsch sollen zumindest mal den Arrivierten Beine machen.

Was die Taktik betrifft: Wird das DFB-Team in Zukunft defensiver spielen? Vogts' Antwort: „So defensiv wie heute.“ Es sollte ein Witz sein. Nicht bloß für Möller, Häßler und Basler klingt es aber wie eine Drohung. Im Endeffekt hat er seinen stets hochgehaltenen Anspruch weiter reduziert, Fußball von ästhetischer Qualität zu spielen. Menotti hat gesagt: „Man kann die Menschen nicht ein Jahr quälen, um sie mit einem Moment des Glücks der gewonnenen Meisterschaft zu entschädigen.“ Der hat gut reden. Der ist schon Weltmeister. Peter Unfried

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