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Clinton setzt auf Diplomatie

■ Weil sich keine Mehrheit für einen Angriff gegen den Irak findet, sucht die US-Regierung jetzt nach einem politischen Ausweg aus der Krise. Bagdad bereitet sich dennoch auf einen Angriff vor

Washington/Bonn (AFP/dpa) – Angesichts des internationalen Widerstands gegen einen Militärangriff auf den Irak haben die USA ihre Bemühungen um eine diplomatische Lösung der Krise am Wochenende verstärkt. Präsident Bill Clinton sprach mit Rußlands und Frankreichs Präsidenten sowie dem britischen Premier über Möglichkeiten der internationalen Diplomatie. Außenministerin Madeleine Albright rief die arabischen Staaten zur Einheit auf.

Clinton und Rußlands Präsident Boris Jelzin kamen nach Angaben des Kreml in einem 20minütigen Telefongespräch gestern überein, daß die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Irak-Krise verstärkt werden sollten. Frankreichs Präsident Jacques Chirac sagte, er und Clinton stimmten überein, daß die internationale Gemeinschaft „die Suche nach einem friedlichen Ausweg aus der Krise“ fortsetzen werde. Der britische Premier Tony Blair betonte gestern, eine diplomatische Lösung müsse Vorrang haben. Allerdings sei Iraks Staatschef Saddam Hussein nicht der Mann, der auf die Sprache der Vernunft oder Versöhnung höre, wenn der Redner nicht gleichzeitig „mit einem großen Knüppel bewaffnet“ sei.

Wie die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat Rußland, Frankreich und China lehnten auch mehrere arabische Staaten einen Militärschlag ab. Kuwaits Außenminister Scheich Sabah al-Ahmad as-Sabah rief alle beteiligten Parteien gestern zu „Mäßigung und Weisheit“ auf. Auch Bahrains Regierung befürwortet eine friedliche Regelung.

Die amtliche irakische Presse triumphierte gestern, die USA seien „eingekreist und isoliert“. Die Äußerungen Clintons und Albrights zeigten, daß die USA mit dem Plan eines Militärschlags allein stünden, schrieb al-Dschumhuria. Die Saddam Husseins Sohn Udai gehörende Zeitung Babil rief proirakische Organisationen in der arabischen Welt auf, Anschläge auf Einrichtungen der USA oder Großbritanniens zu begehen. In Erwartung eines möglichen Angriffes und zur Vermeidung von Panik wurde am Samstag im Irak der Gebrauch von Schußwaffen kategorisch verboten. Die irakische Regierung öffnete weitere Gebäude für Familien, die als „menschliche Schutzschilde“ gegen Angriffe dienen sollen.

Unterdessen berichtet der Spiegel, ein deutscher Beamter im Auswärtigen Amt habe während der Golfkrise 1990 den Irak mit hochgeheimen, kriegsrelevanten Informationen beliefert. Wegen Spionage in einem besonders schweren Fall habe deshalb der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Jürgen Mohammed Gietler im Mai 1991 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil sei bis heute als „VS vertraulich – amtlich geheimgehalten“ eingestuft. Gietler sei seit 1994 wieder auf freiem Fuß.

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