: Die Rollenspiele des Zeugen Eter
■ Der Libyer Eter, Hauptzeuge im „La Belle“-Prozeß, gibt Rätsel auf
Als Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft gilt der Libyer Musbah Abdulgassem Eter. Eter, der in der Bonner Vertretung Libyens für „die Abklärung libyscher Dissidenten“ zuständig gewesen sein soll, kam 1986 zum Ostberliner Volksbüro. Er ist ein schwieriger Zeuge. Eter hat im September 1996 unter bisher nicht näher bekannten Umständen beim deutschen Botschafter auf Malta ausgesagt. In der ursprünglich „VS – vertraulich“ deklarierten Niederschrift gab er an, alles sei „vom libyschen Volksbüro in Berlin organisiert“. Anlaß seien die „Auseinandersetzungen zwischen Libyen und den USA“ gewesen, geplant habe das Attentat „Chraidi mit seinen Palästinensern und Libanesen, wobei die Ausrüstung aus Libyen kam“. Der Brisanz seiner Aussage war sich Eter offenbar bewußt. Handschriftlich merkte er auf dem Vernehmungsprotokoll an: „Ich möchte geschützt werden.“
Auch dem Zeugen Eter wird eine geheimdienstliche Vita nachgesagt, deren Anfänge im dunkeln liegen. Die Berliner Staatsanwälte vermerken, daß er sich am 30. Dezember 1987, eineinhalb Jahre nach dem Anschlag, in die Botschaft der Vereinigten Staaten in Ost-Berlin begeben hat. Er berichtete dort über seine anstehende Rückreise nach Libyen, die er vermeiden wollte. Eter habe erfolglos um Unterstützung gebeten – bis Mitte März 89 sei es dann bei dessen Berlin-Aufenthalten zu „gelegentlichen Kontakten“ mit den US-amerikanischen Nachrichtendiensten gekommen. Die amerikanischen Behörden hätten dann allerdings den Kontakt zu Eter abgebrochen, er sei nicht bereit gewesen, verwertbare Informationen zu übermitteln. Als Motiv für Eters Geständnis gibt die Berliner Staatsanwaltschaft dessen Wunsch an, „offensichtlich, unter Inkaufnahme eigener Bestrafung und Gefährdung, den familiären Lebensmittelpunkt in Berlin zu begründen“.
Der Bitte um Schutz kamen die Berliner Justizbehörden umgehend nach, Eter wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Er hatte allen Grund, um sein Leben zu fürchten – nach seinen Kontakten zur Botschaft der USA und seinen später wiederholten, Libyen schwer belastenden Aussagen. Und trotzdem: Eter entzog sich kurz danach dem fürsorglichen Schutz der Berliner Polizeibeamten und flüchtete.
Erst Ende August wurde er in Zusammenarbeit mit deutschen Zielfahndern von italienischen Staatsschützern in Rom verhaftet. Der angeblich so ängstliche Eter hatte in der italienischen Hauptstadt nicht nur Kontakte zu libyschen Botschaftsangehörigen, er wohnte sogar in einem Haus auf dem Gelände der libyschen Vertretung in der Via Nomintana. Sichergestellt wurden bei der Festnahme auch diverse Ausweispapiere des Musbah Eter.
Aus ihnen geht hervor, daß sich der Flüchtige im Dezember 1996 das letzte Mal in Libyen aufgehalten hat – immerhin Wochen nach seinen Aussagen gegenüber deutschen Strafverfolgern. wg
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