: Selbst wenn es nicht passen will
■ Formen musikalischen Ungehorsams: Zum Musikerinnenfestival „Wie es ihr gefällt“
Noch eine Metapher finden, noch ein gesalbtes Wort, um den schrägen Ton aus der Kehle einer Frau, den Rhythmus, der aus dem Handgelenk einer Begnadeten geschüttelt wird, den sonoren Klang, der der Lunge einer Schönen entströmt, auf Papier festzuhalten. Um zu sagen, daß die Frau das Besondere erfindet, weder Jazz noch Rock noch Klassik macht ...
Um die eigenständige Musik von Frauen zu beschreiben, sind die KritikerInnen auf der Suche nach Worten durch sämtliche Insektarien, Volieren und Urwälder der Welt gewandert: zirpen, gurren, kreischen, flattern, zwitschern, zischen, raunen, schnattern. Aber auch Unwetter mit Donner, Blitz, Feuerwerk und Sirene sind beliebt. Das alles gar nicht zu Unrecht. Denn tatsächlich gehen von Sängerinnen, Improvisateurinnen, Instrumentalistinnen und Komponistinnen immer wieder neue musikalische Impulse aus, für die es keine Sprache gibt. Insbesondere dann nicht, wenn die Künstlerinnen etwa die hohen Töne bis an die Grenzen des Hörbaren ausloten, wenn sie bedingunglos sich selbst und ihren Körper mit ins Spiel bringen, wenn sie Instrumente zweckentfremden oder einen Zweck musikalisch instrumentieren. Und dabei immer einen Rest Sinnlichkeit, einen Rest Poesie zulassen, selbst wenn es nicht passen will.
Frauenmusikfestivals sind in den letzten Jahren initiiert worden, um der Männerdomäne Musikbusineß etwas entgegenzusetzen und Frauen eine Plattform für ihren vielfältigen musikalischen Ungehorsam zu geben. Das ist bekannt. Doch was passiert, wenn sich solche Festivals institutionalisieren? Halten sie die Wiederholung aus, ohne sich zu wiederholen?
Für das Musikerinnenfestival „Wie es ihr gefällt“, das dieses Jahr zum sechstenmal stattfindet, stehen die Chancen gut. Während auf den vorangegangenen Festivals Improvisation und stimmliche Extremexperimente einen eindeutigen Schwerpunkt bildeten, setzen die Veranstalterinnen Anna Bianca Krause, Inge Morgenroth und Angela von Tallian dieses Jahr andere Akzente. Elektronik, Neue Medien und Rezitation ziehen sich als roter Faden durch das Programm. Kein Abend, an dem sich gesungene Poesie nicht an harten oder synthetischen Sounds bricht. Dabei steht die Sardin Elena Ledda mit ihrem aus der Folklore schöpfenden „Quartett“ am poetischen Ende und Laetitia Sonami mit ihrem „Datenbandschuh“, der ihre spontanen Handbewegungen als akustische Störungen auf ihre Musik überträgt, am anderen.
Dazwischen ist jede Menge vom französischen Chanson inspirierter Rock und industriell-serielles Geschichtenerzählen. Nicht immer ist das leichte Kost, aber das war auch bisher ein Markenzeichen von „Wie es ihr gefällt“. Ein Desaster ist wie immer das nie ausreichende Geld, hat es die Veranstalterinnen doch zu Sponsoren geführt, die sich derzeit an der falschen Asylpolitik der Bundesrepublik bereichern. Darin aber steckt auch die Chance, dies zu thematisieren. Grenzgängerinnen gibt es nicht nur in der Musik. Waltraud Schwab
Ab heute bis 23.11. in der Kulturbrauerei, jeweils 20.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen