"Die Leute greifen nach jedem Strohhalm"

■ Stiftung Warentest schlägt Alarm: Steigende Arbeitslosigkeit macht es dubiosen Anbietern leichter, Geld bei Arbeitslosen abzuzocken

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Ob Verdienstmöglichkeiten über den PC oder Heimverdienste mit 5.000-Mark-Garantie – all das und viel mehr findet sich tagtäglich im Anzeigenteil von Zeitungen. Die Stiftung Warentest hat jetzt nach einer ersten großangelegten Durchforstung von „Heim- und Nebenverdienst“-Anzeigen in Berliner Tageszeitungen herausgefunden, daß das meiste davon Lug und Trug ist. „Die Rubrik Nebenjobs entpuppte sich als Paradies für windige Geschäftemacher“, heißt es in der neuesten Ausgabe von test, die heute erscheint. „In einigen Ausgaben wurde mehr als die Hälfte der Inserate von Abzockern geschaltet“, so Michael Bruns von der Stiftung Warentest. „In keinem einzigen Fall stießen wir auf das, was üblicherweise unter Nebenjob verstanden wird.“

Als Hauptbranchen gelten derzeit Modellagenturen, die bis zu eintausend Mark für Fotos verlangen. Fotos, die bei potentiellen Arbeitgebern in der Regel im Papierkorb landen. Derzeit versucht der Verbraucherschutzverein (VSV), der gegen unlauteren Wettbewerb vorgeht, eine Modellagentur zu verklagen, gegen die bisher „mehrere Dutzend Beschwerden“ vorliegen. Doch bisher konnte die Klage nicht zugestellt werden, weil die Firma, deren Sitz in Niedersachsen ist, am noblen Kurfürstendamm in Berlin per Servicegesellschaft nur mit einem Briefkasten residiert – eine gängige Praxis.

Ein weiteres Betätigungsfeld für windige Geschäftemacher ist der Sektor Heimarbeit und Nebenverdienst, der nach Angaben des VSV immer mehr zur „Haupterwerbsschiene“ wird. Weit verbreitet sind auch Broschüren mit angeblichen Tips zur Jobsuche, für die bis zu einhundert Mark berappt werden müssen. Michael Bruns von der Stiftung Warentest hat hinter derlei Offerten „einfache Leute“ ausgemacht, „die selber angeschmiert wurden“ und nun andere aufs Glatteis führen. Oftmals handelt es sich um haarsträubende Werke.

Daß die Abzockerei immer größer wird, erklärt Bruns mit der steigenden Arbeitslosigkeit. Deshalb rät er, von Anzeigen ohne Firmenangaben oder genauer Berufsbezeichnung, die ein „ideales Zweiteinkommen“ versprechen, generell die Finger zu lassen. Auf keinen Fall solle man für einen versprochenen Job Geld vorstrecken.

Auch der Verbraucherschutzverein rät kategorisch „zur Vorsicht“. Allein in diesem Jahr hat der VSV 17 Anbieter abgemahnt, im vergangenen Jahr waren es 14. Auch wenn etwa die Hälfte von ihnen außergerichtliche Unterlassungserklärungen abgibt, ist damit dem Schindluder noch lange kein Ende gesetzt. „So Leute können immer wieder auftauchen“, sagt Dieter Lang. Weil dubiose Anbieter in der Regel keine schriftliche Jobgarantie geben, sondern diese nur suggerieren, sei arglistige Täuschung nur schwer nachzuweisen.

Der Klageweg ist auch für den VSV eine heikle Angelegenheit. Denn selbst wenn eine Anmeldung beim Gewerberegister vorliegt, ist keinesfalls garantiert, daß der Anbieter bei erfolgreicher Klage auch zahlt. Die meisten, so Dieter Lang, heben die Hand zum Offenbarungseid. „Dann müssen wir auch noch die Gerichtskosten tragen.“ Der VSV geht davon aus, daß Offerten dubioser Anbieter weiter zunehmen, der Kreis der Geschädigten größer werden wird. „Die Leute greifen nach jedem Strohhalm.“ Barbara Bollwahn