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Verrat begehen immer die anderen

Sollte an diesem Wochenende bei den Wahlen in der Republika Srpska ihre Partei verlieren, könnte sich Biljana Plavšić als Präsidentin nicht mehr halten  ■ Aus Banja Luka Erich Rathfelder

Jubelstimmung wollte auf der zentralen Wahlkampfveranstaltung der Biljana Plavšić nicht so recht aufkommen. Denn in der ungeheizten Mehrzweckhalle in der westbosnischen Stadt Banja Luka verloren sich kaum 1.500 Menschen, um sich auf die am Wochenende stattfindenden Parlamentswahlen in der Republika Srpska einzustimmen. Die Rednergabe der sich präsentierenden Kandidaten der Serbischen Volkspartei SNS war zudem nicht dazu angetan, die Stimmung aufzuheizen.

Erst als Biljana Plavšić selbst ans Rednerpult trat, kam Stimmung auf. Die 67jährige ehemalige Biologieprofessorin zeigte sich als engagierte Mentorin der von ihr selbst erst kürzlich gegründeten Partei. Seit sie sich mit den Anhängern des Radovan Karadžić überworfen hat, befindet sie sich in einem Machtkampf mit ihren alten politischen Weggefährten, der Führung der serbischen Nationalpartei Serbische Demokratische Partei (SDS) in Pale. Mit der Gründung ihrer eigenen Volkspartei ist es ihr gelungen, die Nationalpartei, zu deren Führung sie einst selbst gehörte, zu spalten. Im ganzen Land sind seither viele Mitglieder zu ihrer Partei übergelaufen.

Bei den Wahlen geht es nicht um das Präsidentenamt. Doch die stärkste Partei wird die Regierung bilden können. Und so steht für Biljana Plavšić viel auf dem Spiel. Gewinnt ihre Partei die Führerschaft, kann sie ihren auf Kooperation mit den internationalen Institutionen ausgerichteten Kurs durchsetzen. Verliert sie jedoch, wird sie als Präsidentin nicht mehr lange durchhalten können. Denn die Vertreter der harten und kompromißlosen Linie, denen das Abkommen von Dayton viel zuweit geht, warten nur darauf, ihre Politik zu torpedieren.

Mit dem Vorwurf konfrontiert, die Republika Srpska und die serbische Nationalbewegung zu spalten, zeigte sie sich zu Beginn ihrer Rede als überzeugte Nationalistin, die von Anfang an für den serbischen Staat auf bosnischem Boden gekämpft habe. Dieser Staat werde jetzt aber durch die Führung in Pale verraten, erklärt sie, „die Kriminellen dort haben das Zepter in der Hand. Wir müssen einen demokratischen Staat aufbauen, saubere Verhältnisse schaffen, sonst haben wir keine Überlebenschance“, ist ihre Botschaft. Nicht sie verrate die Republika Srpska, sondern jene, die noch nicht verstanden hätten, daß jetzt Frieden sei und daß jetzt die sozialen und wirtschaftlichen Probleme angepackt werden müßten.

Doch werden solche Worte ausreichen, um die Wähler für ihre Partei einzunehmen? Eine Verkäuferin zögert mit der Antwort. Wie viele andere Bürger ist sie verunsichert. „Früher hatten wir nur eine Partei.“ Sie versteht den Machtkampf nicht. Sie ist für die Einheit. Der Slogan, nur mit der Einheit seien die Serben stark, sei richtig, sagt sie. Auch Vera F. stimmt zu. Seit 1993 hat die 33jährige ehemalige Kellnerin das Restaurant und das Haus einer vertriebenen muslimischen Familie übernommen. „Letzte Woche kam der Mann aus Wien, wo die jetzt leben, zurück und sagte, in drei Monaten hätte ich das Haus zu verlassen. Er wolle wiederkommen.“ Sie weiß ja, daß sie nicht rechtmäßige Eigentümerin ist. Aber der Laden läuft gut, sie verdient verhältnismäßig viel. „Die sollen mich in Ruhe lassen.“

In einer Suite des Hotels „Bosna“ hat die Serbische Radikale Partei ihr Zentrum eingerichtet. „Biljana Plavšić spaltet die Republik und kommt der internationalen Gemeinschaft viel zuweit entgegen“, erklärt ihr Spitzenkandidat, Nikola Poplasen (siehe Interview). Zwar habe die Führung in Pale sich selbst den Kriminellen ausgeliefert, das alte Programm der Nationalpartei sei jedoch richtig. „Die Existenz der Republika Srpska steht jetzt auf dem Spiel.“

Diese Parole scheint zu zünden. Schon bei den Kommunalwahlen im September dieses Jahres konnte die Partei vor allem in den ostbosnischen Regionen zur zweitstärksten Kraft nach der dort noch immer starken SDS-Partei aufsteigen. Nun erhoffen sich ihre Mitglieder auch einen Durchbruch in Westbosnien. „Wir werden allerdings von den Medien blockiert.“

Seit die internationalen Truppen (Sfor) das Fernsehen aus Pale abgeschaltet haben, gibt es in weiten Teilen des Landes nur ein Programm. Die Journalisten haben sich gewendet. Statt Momčilo Krajišnik oder Aleksa Buha wird jetzt Biljana Plavšić ins rechte Licht gerückt. „Die Mechanismen jedoch sind die gleichen geblieben“, beklagt der Journalist Zoran P. „Jetzt wird eben Propaganda für die Plavšić gemacht.“

Und dann gibt es noch die Sozialisten. 20 Prozent der Stimmen würden sie gewinnen, prognostiziert Zelko Radišić, ein ehemaliger Rechtsanwalt und kommunistische Parteifunktionär, optimistisch. Das Abkommen von Dayton müsse erfüllt, die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. „Die Leute wollen wieder Brot.“ Da nicht nur Serben mitstimmen dürften, sondern auch im Ausland lebende vertriebene Muslime und Kroaten, würden im neuen Parlament die muslimischen und kroatischen Abgeordneten 20 Prozent der Sitze einnehmen. „Es könnte im Parlament zu einem Patt kommen“, prognostiziert Radišić.

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