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Press-SchlagKeinen Bock mehr

■ Der 1. FC Köln hat leider keine Krise

In Köln glauben viele immer noch fest daran, der 1. FC Köln stecke in einer Krise. Krise aber beschreibt gemeinhin eine interimistischen Zustand von aushaltbarer Dauer, an dessen Ende der Ausweg steht, der Ausweg in ein gutes Ende.

Die Worte, die die Vertreter der These „Krise“ beschwörend vor sich herbeten, lauten „Traditionsklub“ oder „Gründungsmitglied der Bundesliga“ und sollen den Abstieg verhindern helfen. Doch im fünften Jahr des Kölner Rettungsversuchs – und nach Abschluß der schlechtesten Hinrunde in der Vereinsgeschichte (elf Niederlagen, 38 Gegentreffer) wärmen in dieser Jahreszeit zwar Erinnerungen an Schäfer, Overath, Dieter Müller, Flohe, Littbarski und Häßler nicht – aber sie helfen nicht.

Die bittere Wirklichkeit heißt: Mannschaftskapitän Karsten Baumann. Der saß am Samstag abend nach dem verlorenen Spiel gegen Arminia Bielefeld im „aktuellen sport-studio“ des ZDF und lavierte sich hilflos auf dem Sitzmöbel hin und her. Und auf den Vorwurf der Cliquenbildung im Verein angesprochen, die Trainer Köstner für den Zerfall auf dem Spielfeld ausmacht, putzte der im neunten Jahr beim FC spielende Verteidiger besser aus als auf dem Platz: „Jeder hat seine Spezis, „aber Cliquenbildung gibt es bei uns nicht.“

Spezi, Clique, Klüngel – dagegen wird in sogenannten Krisenzeiten im einfach-komplexen Mannschaftssport Fußball immer wieder der Teamgeist beschworen. Gerade wenn der Ball nicht mehr dein Freund ist. „Den Charakter einer Mannschaft kann man nicht schnell ändern“, mußte Lorenz-Günter Köstner nach dem neunten Spiel in der Verantwortung und seiner persönlichen FC-Bilanz von neun (von 27) Punkten und 13:20 Toren erkennen. 17 Spiele bleiben ihm nicht mehr, dann ist der FC schon abgestiegen.

Irgendwie schien Köstner am Samstag nachmittag zu resignieren. Wieder habe es die gleichen anfängerhaften Fehler gegeben, und deswegen sei es richtig, „daß die Zuschauer ihren Frust mit einem Pfeifkonzert und Buhrufen auslassen“. Das war den 18.000 direkt nach dem Schlußpfiff nicht eingefallen. Sie hatten das Müngersdorfer Stadion schweigend verlassen. Bis auf ein paar hundert ritualisiert-verpeilte, die sich – und auch das ist eine der Standard-Metaphern der letzten fünf Jahre – vor dem Marathontor versammelten und „Scheiß-Millionäre!“ schrien. Ach wären wir nur die Bayern...

In der Straßenbahn stehen gegen Kälte gutverpackte Männer herum, der Tonfall ist nicht laut oder erregt. Dann sagt einer zu seinem Nachbarn: „Seid Jahren diese Scheiße, ich hab' einfach keinen Bock mehr, von mir aus sollen die jetzt endlich mal absteigen.“ Die Krise ist der Normalzustand – und darauf haben in Köln nicht mehr viele Leute Lust. Thomas Lötz

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