Macht der „K-Gruppe“ schwindet

Im CDU-Kreis „Union 2000“ sammeln sich die Kritiker des Diepgen-Clans. Die Bandbreite reicht von rechtskonservativ, Mitte-rechts bis schlicht führungskritisch  ■ Von Barbara Junge

Dieter Hapel erzählt es immer wieder gern: Eberhard Diepgen sei unfähig, die Partei zu führen, wahrer Konservatismus finde in der Union nicht mehr statt, und wenn Diepgen Führung übernehme, dann mache er bestimmt genau das Falsche.

Hapel, der innenpolitische Scharfmacher der CDU, steht mit seiner Meinung nicht allein; vor allem auf dem rechten Flügel mehrt sich der Unmut über die Parteiführung. Seit mehr als einem Jahr treffen sich um Dieter Hapel (Bezirksvorsitzender in Tempelhof), den Verkehrsstaatssekretär Ingo Schmitt (Bezirksvorsitzender in Charlottenburg) und den Reinickendorfer Bezirksvorsitzenden der CDU, Diethard Schütze, diejenigen Parteirebellen, die den Regierenden Bürgermeister Diepgen des Amtes als Landesvorsitzender entheben wollen und eine konservative Erneuerung der CDU anstreben. „Union 2000“ nennt sich der Kreis von rund 30 Christdemokraten, unter ihnen nach eigenen Angaben allein acht CDU-Kreisvorsitzende.

Union 2000 ist ein parteiinterner Zirkel, der nicht geschlossen auftritt. Seine lautstarken Vertreter jedoch zeichnen sich fast durchgängig mit rechten Themen wie Innere Sicherheit, einer scharfen Ausländerpolitik und einer werteorientierten Bildungsdebatte aus. „Wir sind ein Zusammenschluß von Wertkonservativen und CDUlern der rechten Mitte“ umschreibt Andreas Apelt, Kreisvorsitzender von Prenzlauer Berg und Teilnehmer bei Union 2000, seine Gruppe. Und: „Wir sind neben der Diepgen-Clique die einzige große Vereinigung in der CDU, etwa gleich stark wie diese.“ Liberale Mitglieder der CDU finden deutlichere Worte für den Kreis: „Das sind die Rechten um Hapel, Schmitt und Schütze“, bekundet ein Außenstehender, „die drei prägen die Gruppe, auch wenn vielleicht nicht alle Teilnehmer ganz rechts sind.“ Reinhard Führer, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Union-2000-nah und seit einer Woche neuer Kreisvorsitzender in Neukölln, verwahrt sich indes gegen diese Einordnung: „Es wäre total falsch, uns als rechts zu bezeichnen. Ich bin kein Rechter.“

Eines eint die Teilnehmer von Union 2000: die Kritik an der undemokratischen Parteiführung durch den Diepgen-Freundeskreis. Diskussionen würden gar nicht mehr offen geführt, der Zirkel um Diepgen und Landowsky habe ein absolutes Informationsmonopol und Entscheidungen würden jenseits aller Parteigremien ausgekungelt. Deshalb hat Union 2000 eine ganz alte Diskussion wiederbelebt – die Trennung der Ämter. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen solle nicht zugleich CDU-Landesvorsitzender sein. Er könne keine profiliert konservative Position einnehmen, da er mit dem Koalitionspartner SPD stets einen Kompromiß eingehe. Union 2000 will den Landesvorsitzenden stellen. Und wie ein Teilnehmer bekundet: „Wir werden im Februar einen Kandidaten haben.“

Im Februar steht die Neu- oder Wiederwahl des Landesvorsitzenden auf der Tagesordnung des Parteitages. Die Führung der CDU jedoch gibt sich bei all dem gelassen. „Noch haben die Kritiker keine Alternative zu Eberhard Diepgen aufbieten können“, sagt Generalsekretär Gerhard Lawrentz, „ein so großes Hemd wie das des Parteivorsitzenden und möglichen Nachfolgers als Spitzenkandidat muß erst mal passen.“ Zwar müht sich speziell Dieter Hapel, Innensenator Schönbohm zum Nachfolger hochzuloben – „er erfüllt die Sehnsucht nach Führung“ –, doch der Innensenator verweist nur trocken darauf, daß er noch nicht einmal Mitglied der Berliner CDU sei. Schönbohm wohnt in Brandenburg. Auch andere Hoffnungsträger winken ab. „Diejenigen, deren Stimme in der Stadt Gewicht hat, machen sich die Finger nicht schmutzig“, sieht ein Teilnehmer von Union 2000 das Dilemma. Und diejenigen, denen man Ambitionen nachsagt, haben kein Gewicht in der Stadt. Obwohl sogar Klaus Landowsky bereits Diethard Schütze als möglichen „Hoffnungsträger“ bezeichnet hat, ist selbst in der Union 2000 klar: „Einer, der nur bequem stänkert, hat nicht das Format zum Parteivorsitzenden.“

Union 2000 kann jedoch auch erste Erfolge vorweisen: „Die Berliner Unionsführung muß endlich begreifen, daß sie auch eine konservative Klientel hat“, so klingt, was Innenpolitiker Hapel formuliert, in den Worten eines Kulturpolitikers. Uwe Lehmann-Brauns, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, hat am Wochenende den Diepgen-Freund Bausenator Jürgen Klemann als Vorsitzenden der CDU in Zehlendorf abgelöst. Klemann war gar nicht erst mehr angetreten, denn schon im Vorfeld hatte sich eine Mehrheit für Lehmann-Brauns abgezeichnet. Auch Lehmann-Brauns gehört zur Union 2000.

Noch dominiert der Freundeskreis des Regierenden Bürgermeisters die Parteiführung. Aber die Macht der „K-Gruppe“ schwindet. Zu Westberliner Zeiten waren die Diepgen-Freunde um den Tiergartener CDU-Vorsitzenden Peter Kittelmann, Klaus-Rüdiger Landowsky und den christdemokratischen Juristen Gero Pfennig das informelle Zentrum der christlichen Demokratie. Mit der Wiedervereinigung indes haben sich die Koordinaten verschoben: Die Westberliner Frontstadtmentalität repräsentiert nur mehr einen Teil der CDU, die PDS hat eine ganz moderne Form des Antikommunismus entstehen lassen, die Ost- CDUler mit Westkonservativen verbindet, und die geschwundene Macht der CDU weckt Sehnsüchte nach einem starken, profilierten Konservatismus.

In dieser veränderten Situation drängt die neu zusammengesetzte CDU zu einer Ablösung der alten Führung. Zum Jahresende wollen die Christdemokraten von Union 2000 eine erste Plattform veröffentlichen, die gerade ausgearbeitet wird. An der Plattform wird sich zeigen, wohin die Reise geht. Das Anliegen: „Wir wollen eine neue Wertedebatte anstoßen.“