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Jetzt auch nach dem Frühsport

■ Jahrelang wurde Bildungs-TV abgedrängt. Nun plant der BR einen ganzen Bildungskanal

Früher, als es nur drei Fernsehprogramme gab, waren die Telekolleglehrer die Könige der verregneten Nachmittage: Da gab es den freundlich lächelnden Chemikeronkel mit all seinen Erlenmeyerkolben oder diesen bärtigen Englischlehrer mit dem kratzigen Rollkragenpulli. Seit einigen Jahren werden die Dritten Programme der ARD-Sender aber auf Quote getrimmt, und da kommt es schon vor, daß die Telekolleglehrer aus den Nachmittagsstunden in den Mittag oder den Morgen verbannt werden. Wer heute Deutsch oder Mathe beim ORB lernen will, muß gar mitten in der Nacht aufstehen, denn dort läuft das Telekolleg um 4 Uhr 45 – noch vor der Frühsportsendung Tele-Gym.

Bald könnte es ein freundliches Wiedersehen mit dem Telekollegium und anderen Bildungssendungen geben. Der Bayerische Rundfunk (BR) startet am 7. Januar seinen eigenen Bildungskanal, beim WDR gibt es bereits Konzepte für einen Bildungskanal mit Sitz in Dortmund. Dem BR hatte die Kommission zur Ermittlung des Rundfunkgebührenbedarfs schon im vergangenen Jahr 47,1 Millionen Mark für den Zeitraum von 1997 bis zum Jahr 2000 genehmigt. Die BR-Verantwortlichen, denen der Rundfunkrat in der vergangenen Woche den Bildungskanal absegnete, haben allerdings mehr eingeplant.

Das könnte vor allem mit der bundesweiten Verbreitung über den Satelliten Astra 1B zu tun haben, die jährlich 12 Millionen kostet. 27 Millionen Zuschauer, so heißt es, könnten in Deutschland dann den Kanal empfangen. Durch das BR-Projekt würden Reisezeiten, Fahrtkosten zu Seminaren und der Bau von teuren Bildungseinrichtungen gespart, schwärmt BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs und recycelt damit eigentlich nur alte Telekolleg-Argumente. Das Image des neuen Kanals soll freilich moderner anmuten. So spricht der Münchner Sender von einem „Mix“ aus kurzen Beiträgen, anspruchsvollen Reports, Kompaktkursen, Lehrgängen, Trainingseinheiten und dazu „Multimedia-Power“, was aber nichts anderes heißt, daß Informationen und Arbeitsblättern nun online abrufbar sind.

In Programmentwürfen ist von Sendungen zu Fremdsprachen, Wissenschaft, Bildender Kunst, Oper, Theater und Philosophie die Rede. Weil das Programm sparsam sein soll, wollen die BR-Redakteure ihr Material vor allem aus den Archiven holen. Nicht sehr teuer dürften auch Eins-zu-eins- Übertragungen aus Hochschulvorlesungen kommen, die unter dem Namen „Campus TV“ laufen. Zur Prime time um 20.15 Uhr ist ein 45minütiges Gespräch namens „Forum“ geplant, in dem Persönlichkeiten wie Birgit Breuel oder Roman Herzog über Gott und die Welt befragt werden sollen. Mittags soll aus dem BR-Hörfunk das „Tagesgespräch“ mit Bürgerbeteiligung übernommen werden, zweimal am Tag werden einstündige „Lokalfenster“ gesendet.

Wie beim öffentlich-rechtlichen Kinderkanal und dem Parlamentsfernehen Phoenix ärgert sich der Privatfunk angesichts des Bildungskanals. Von einer „Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils“, wie es BR-Intendant Albert Scharf ausdrückt, könne keine Rede sein. Vielmehr sei der Bildungskanal ein „Etikettenschwindel“ und ein für „Beleg für die Expansionspolitik der ARD“, schimpft Hartmut Schulz, Sprecher des Verbands Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Die Fernsehunternehmer von RTL und Sat.1 fürchten sich nicht etwa vor den freundlichen Englisch-, Mathe- oder Chemielehrern. Wie bei Phoenix haben sie Angst, daß die Dritten Programme nun noch mehr quotenschwachen Bildungsbalast abwerfen, da sie ja auf die Spartenprogramme verweisen können. Georg Löwisch

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