Schwere Krise bei Marokkos Sozialisten

■ Weil die Wahlen manipuliert wurden, erstatten zwei Parlamentarier Selbstanzeige

Madrid (taz) –Sauber sollten die marokkanischen Parlamentswahlen am vergangenen 14. November werden. So versprach es Innenminister Driss Basri, und so forderte es das Oppositionsbündnis Kutla – allen voran die Union der Sozialistischen Volkskräfte (USFP). Im gegenteiligen Falle werde man die Parlamentssitze erst gar nicht einnehmen, geschweige denn sich an einer künftigen Regierung der Oppositionskräfte, wie sie König Hassan II. in Aussicht stellte, beteiligen, drohten die Sozialisten. Jetzt bleiben ihnen die eigenen Beteuerungen im Halse stecken. Zwar ging die USFP mit 57 der 325 Parlamentssitze als stärkste Partei aus der Abstimmung Urnengang hervor, doch scheint es dabei nicht in allen Wahlbezirken mit rechten Dingen zugegangen zu sein.

Aus diesem Grund legte Mustafa Karschaui, Mitglied des Zentralkomitees und Politbüros, am Wochenende seine Parteiämter nieder. „Nach den flagranten Wahlmanipulationen müssen die demokratischen Kräfte ihre Politik überprüfen“, begründete der ehemalige politische Gefangene seinen Schritt, mit dem er Parteichef Abderahman Jussufi, der von einem Regierungsamt träumt, einen schweren Schlag versetzt.

Die Krise bei den Sozialisten begann wenige Tage nach der Abstimmung, als zwei Kandidaten in Casablanca auf ihren eben erst gewonnenen Parlamentssitz verzichteten. Bei der Auszählung der Stimmen hätten mehrere Mitbewerber vor ihnen gelegen, als das amtliche Ergebnis bekanntgegeben wurde, seien sie dennoch zu Siegern erklärt worden, begründebeide ihren Schritt. „Ich kann nicht zulassen, daß ich durch Betrug gewählt werde“, erklärte Muhammad Hafid und erstattete zusammen mit Muhammad Adib, Selbstanzeige vor dem Verfassungsrat.

Parteichef Jussufi kann oder will sich die Vorfälle nicht erklären. Während er sich weigert, den Rücktritt von Karschaui zu akzeptieren und ihn auf den nächsten Parteikongreß im kommenden Jahr vertröstet, schließen sich die Sozialisten den allgemeinen Klagen über den massiven Kauf von Stimmen vor allem durch die Rechtskoalition Wifak an. Auf diese Art sei dem für die USFP kandidierenden ehemaligen Weltmeister und Olympiasieger im Langstreckenlauf, Said Auita, der Wahlsieg durch den ehemaligen Justizminister Abderraman Amalu streitig gemacht worden. Der Verfassungsrat und das Innenministerium ermitteln.

Für Karschaui ist die von König Hassan II. versprochene Demokratisierung gescheitert. „Die Zweifel an der Sauberkeit der Wahlen besudeln die Politik“, sagt er, und erinnert Parteichef Jussufi daran, daß dieser selbst nach den letzten Wahlen 1993 aus Protest gegen Wahlbetrug zwei Jahre ins französische Exil ging. Reiner Wandler