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Gegen Preistreiberei und Altenghettos

■ Seniorenclub Schwachhausen fordert seit Jahren eine Begegnungsstätte „ohne Verzehrzwang“/ Die Planung übernehmen jetzt Architekturstudenten der Hochschule

Bereits im Treppenhaus der Hochschule Bremen sorgten die neun älteren Damen und ein Herr gesetzteren Alters für Furore. „Sind das unsere neuen Erstsemestler?“, fragte ein Mitdreißiger sarkastisch im Vorbeigehen.

Der Anblick älterer Menschen ist ungewöhn-lich in einer Hochschule, aber die „Invasion der besonderen Art“hatte ihren Grund: der Seniorenclub Schwachhau-sen traf sich in lockerer Gesprächsrunde mit 25 Architekturstu-denten aus dem ersten Semester. Anlaß war die Forderung der SeniorInnen nach einer Begegnungsstätte in ihrem Stadtteil – und die Idee der ArchitekturstudentInnen die Planung dafür zu übernehmen.

Unter der Leitung von Professor Klaus Kammerer wollen die Studis bis Juni 1998 ein genehmigungsfähiges Konzept entwerfen.

Der 130 Mitglieder starke Seniorenclub Schwachhausen besteht schon seit fast zehn Jahren – und solange treffen sich die 130 Mitglieder auch schon in der Gaststätte „Deutsche Eiche“in Schwachhausen.

„Aber jedesmal 7,80 für Kaffee und Kuchen ist zuviel, nur um andere zu treffen“, sagt Else Nerke, Sprecherin des Seniorenclubs. „Wir wollen eine Begegnungsstätte ohne Verzehrzwang“, betont ihre Mitstreiterin Ursula Haak. Bei der Suche nach einem passenden Raum in einem bereits bestehenden Gebäude blieben die Senioren in Schwachhausen bisher erfolglos. „Ich habe mein Anliegen als Seniorenvertreterin schon mehrmals im Vorstand vorgebracht, wurde aber immer abgewiesen“, bemängelt Nerke.

In der gemeinsamen Runde mit den StudentInnen beklagten sich die SeniorInnen über die zunehmende Isolation ihrer Generation. Altersheime und betreute Wohnanlagen führen oft nur zur „Ghettoisierung“der Alten.

Nerke ärgert sich vor allem über deren Preise: „2.400 Mark und mehr betragen die Mieten, und Zusatzleistungen kosten extra. Diese Preistreiberei muß aufhören“. Doch betreute Wohnanlagen für Alte sind auch in Schwachhausen ein lukratives Geschäft – der Bremer Kreisverband des Roten Kreuzes eröffnet im März nächsten Jahres die Wohnanlage „Tilda“, in der Schwachhauser Heerstraße. Eine Begegnungsstätte gibt es jedoch für die mehr als 10.000 Schwachhauser SeniorInnen nicht. Konkrete Wünsche, wie ihre Begegnungsstätte denn nun aussehen sollte, konnten die NachwuchsplanerInnen den SeniorInnen jedoch nur schwer entlocken.

„Warm muß es sein“, kam da spontan. „Und was noch?“, fragte Architekturstudent Rainer Nehms. „Soll es einen Hausmeister geben oder eine Betreuungsperson, die sagt: Los jetzt spielen wir Mensch-ärger-Dich-nicht?“

Richtig einig wurden sich die SeniorInnen in diesen Punkten nicht, aber sie wollen auf keinen Fall von irgend jemandem „geleitet werden“. Schließlich einigte man sich auf ein grobes Konzept: ein Gebäude mit Begegungsstätteim Erdgeschoß und preisgünsti-gen Wohungen darüber. „Zwei Fliegen mit einer Klappe“, findet Nerke. Außerdem sollte die Anlage verkehrsgünstig gelegen sein.

Für die 25 Architektur-StudentInnen bietet sich in dem Projekt die Chance, anwendungs-bezogen zu studieren. Bis zum Januar nächsten Jahres sollen sie die in Frage kommenden Standorte ausfindig machen und das Bau- und Finanzierungskonzept entwerfen.

Die StudentInnen entwickeln jetzt erst einmal Ideen.

Spätestens Anfang nächsten Jahres wollen sich Jung und Alt wieder treffen – entweder in der „Deutschen Eiche“oder in der Mensa der Hochschule.

Letztere schlug Professor Kammerer als Übergangslösung für den Seniorenclub vor: „Ich werde mit dem Kanzler sprechen, wäre doch auch schön, wenn es einen Ort gäbe, an dem sich junge und alte Menschen treffen“. gef

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