: Der Bruder weiß es: Gott war hier!
■ Eine spanische Flamenco-Truppe wirbelt in der Toskana Staub auf. „Il Cyclone“ wird in Deutschland als „Amore Amore“ starten
Im Zentrum dieser italienischen Komödie steht Levante Quarini aus der Toskana. Die Personalunion von Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur (Leonardo Pieraccioni) beschert ihm das Glück, seine eigene kleine Welt in diesen 90 Minuten beständig um sich selbst kreisen zu lassen. Wie in einem narzißtischen Urtraum sind alle für ihn da: Angefangen bei seinem unverwüstlichen Moped – Baujahr 1979 –, welches er, spätestens seit 1982, als es nach dem italienischen Sieg in der Fußballweltmeisterschaft neben ihm noch vier weiteren Passagieren Platz bot, jedem neuzeitlichen Konkurrenten vorzieht. Dann das kleine Städtchen, in welchem er als unentbehrlicher Steuerberater auf Carlina, Franca, den Gemüsehändler und auf Pippo trifft. Und natürlich auch die ausgedehnten Sonnenblumenfelder, inmitten derer die Quarinis seit Generationen ihren Bauernhof bewirtschaften.
Hier erleben wir den etwas einfältigen Bruder, der immer die gleichen Gemälde mit der Aufschrift: „Existiert Gott?“ malt, den schnarchenden Vater und die vor Liebeskummer schmachtende Selvaggia, seine Schwester. Denn schließlich haben wir eine dieser warmen Juninächte, bei der auch in Italien alle nur an das eine denken – und darüber sprechen.
Darum wird dieser italienische Film in Deutschland unter „Amore Amore“ in die Kinos geschickt. Doch mit der Ankunft einer verirrten und von dem etwas kopflosen Manager verwaisten Flamenco-Truppe beginnen sich die Dinge in Levantes Miniwelt immer schneller zu drehen, bis aus einer lauen Mittsommernacht ein warmer Monsun und schließlich ein wahrer Wirbelsturm, ein „Zyklon“, entsteht. Als „Il Cyclone“ wurde der Film der erfolgreichste der italienischen Filmgeschichte, der an der Kinokasse selbst die Schlacht mit den Außerirdischen aus Independence Day glatt für sich entscheiden konnte.
Mit der Ankunft der spanischen Flamenco-Truppe in dieser folgenden zweiten Juninacht eröffnen sich nämlich einige zarte Liebesträume, die so unwirklich und unerreichbar scheinen wie ein Komet, der alle 70.000 Jahre und just zu dieser Zeit in den Gesichtskreis der Familie Quarini tritt. Womit wir in den Genuß vieler Varianten und Stadien der Liebeskrankheit gelangen, als da wären: die aufkeimende Lust, die erste Annäherung unter einem Vorwand, der erste tiefe Blick, ein verständnisvolles Lächeln, aber dann auch die Entzweiung, der Streit, ein Faustkampf mit Knockout. Ja, die Italiener, ja, die Spanierinnen – man könnte neidisch werden, wäre nicht auch Levante eigentlich ein etwas unbeholfener Provinzliebhaber, der sich nicht sicher ist, ob die ganze Sache nicht ein aus der Hitze geborener Tagtraum ist. Doch immerhin steht auf dem letzten Bild des Bruders zu lesen:
Gott war hier!
Möge der auch ein wohlmeinendes Auge auf die Synchronisation geworfen haben, denn der Film kommt ohne untertitelte Kopie in die Kinos. Peter Grossman
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