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Der Studentenprotest erreicht heute Bonn. Der Streik richtet sich gegen den notorischen Geldmangel und die überkommenen Strukturen an den Universitäten. Für eine durchweg miserable Ausbildung auch noch Studiengebühren zu verlangen, überstei

Der Studentenprotest erreicht heute Bonn. Der Streik richtet sich gegen den notorischen Geldmangel und die überkommenen Strukturen an den Universitäten. Für eine durchweg miserable Ausbildung auch noch Studiengebühren zu verlangen, übersteigt die Schmerzgrenze.

Ohne Preis kein Fleiß

Das Geld ist das eine. Den Studierenden fehlt es. Die Ausbildungsförderung, vor 15 Jahren noch für 40 Prozent der StudentInnen erreichbar, erhalten nur noch 15 Prozent. In Frankfurt ist der Anteil der Bafög-Empfänger gar auf sieben Prozent gesunken. Und auch die Unis brauchen dringendst mehr Mittel. Ihre strukturelle Verrottung wird sonst allzu deutlich sichtbar. An der Technischen Universität (TU) Berlin zum Beispiel. Der Präsident der TU, Hans-Jürgen Ewers, spottet gern, er könne nicht mal mehr die Fensterputzer bezahlen. Da merkt dann auch sein Freund und Cheflobbyist der Wirtschaft, BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel, daß denen an der Uni der Durchblick fehlt.

Und Lesen können sie auch nicht mehr. TU-Chef Ewers mochte sich gar nicht aufregen, als ihm mit den jüngsten Berliner Sparklausuren auch der Neubau seiner Bibliothek gestrichen wurde. Ewers flüchtete sich in Sarkasmus: Was brauch' ich einen Neubau, wo ich doch Zeitschriften, Bücher und CD-ROMs nicht mehr bezahlen kann. Eine Universität ohne Bücher aber ist keine Universität mehr.

Am schlimmsten ist es mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Irgendwann nach der Jahrtausendwende, so um 2005, kommt die Chance der Universitäten: 60 Prozent ihrer Professoren gehen dann in den Ruhestand. Zeit für einen Generationswechsel. Der aber ist akut gefährdet, weil beim Kürzen im Personaletat als erstes die Stellen für TutorInnen, für Doktoranden und Post-Docs wegfallen. An der TU gab es 1994 noch 2.200 wissenschaftliche MitarbeiterInnen. 1997, drei Jahre später, sind es nur noch 1.800.

Der Technischen Uni gehen der Durchblick, die Bücher und die jungen Wissenschaftler verloren. Eine bedrückende Perspektive, aber kein Einzelfall. Die deutschen Universitäten sind seit 1977 enorm gewachsen. Die Zahl ihrer Studierenden hat sich verdoppelt. Die der Professoren aber ist gleichgeblieben. Hochgerechnet ergibt sich laut Hochschulrektorenkonferenz eine Investitionslücke von drei bis sieben Milliarden Mark.

Wer soll diese Finanzlücke schließen? Die Länder? Weil sie in ihrer Kultushoheit zuständig sind für den Sold der Professoren, für die Kreide, für die Bücher? Oder der Bund? Der beim Neubau von Hörsälen oder Bibliotheken die Hälfte zuschießt? Nein, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt will die StudentInnen an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen. Bis zu 1.500 Mark pro Semester solle man ihnen abverlangen. Die Grünen finden das zum Lachen. Sie fragen, wie man für das Produkt „akademische Ausbildung“, das seit Jahren deutlich an Qualität verliert, den Preis erhöhen kann.

Die Strukturen der Universitäten sind das andere. Die letzten Adligen moderner Gesellschaften tummeln sich dort: die Professoren. Ihnen kann praktisch keiner was. Das Beamtenrecht macht sie unkündbar. Die Freiheit von Forschung und Lehre, auf die sie sich verfassungsgemäß berufen, enthebt sie jeder aufsichtlichen Weisung. Und sie haben die garantierte Mehrheit in den demokratischen Gremien der Unis. Die Studierenden beklagen sich, daß sie in den Uni-Gremien keinen Stich kriegen, weil die Professoren sie niederstimmen – und dadurch innovative Vorschläge der Studentenschaft verlorengehen.

Mit der Finanzstruktur der Universitäten ist es ähnlich. Formell sind die akademischen Anstalten autonom. Die Realität sieht anders aus. Die Wissenschaftsminister der Länder regieren detailliert bis in einzelne Haushaltstitel der Unis hinein. In Gießen etwa setzte Ministerialbürokratie den Titel „Lehre und Forschung“ von 14,5 Millionen Mark (1995) auf 8 Millionen Mark (1998) herunter. Über das wenige frei verfügbare Geld bestimmen die Professoren mit ihrer Mehrheit. Die Studierenden fordern daher: Wenn mehr Mittel für die Uni, dann keinesfalls in alte Strukturen.

Auch die Studienstruktur in Deutschland entspricht nicht mehr der Realität. Derzeit strebt rund ein Viertel der SchulabgängerInnen mit Abitur eine akademische Ausbildung an. Nur ein Bruchteil dieser Studierwilligen, etwa 20 Prozent, schreibt sich an Fachhochschulen (FH) ein. Die anderen 80 Prozent gehen an die Uni – und werden dort so ausgebildet, wie es die Uni eben tut: Sie nimmt an, daß die Studierenden in die Wissenschaft wollen. Die meisten möchten aber lieber eine berufsorientierte akademische Ausbildung, wie sie die Fachhochschulen anbieten. Offizielles Ziel der Wissenschaftspolitik ist es, den Anteil an FH-Studierenden auf 40 Prozent anzuheben – ein Ziel, das nicht erreicht werden kann, weil FHs und Unis gleichermaßen unter dem Sparkurs der Länder leiden.

Eine Studienreform an den Universitäten selbst soll, so sieht es die Novelle des Hochschulrahmengesetzes vor, das Studium in Abschnitte unterteilen: in eine berufsvorbereitende erste Hälfte, die mit dem Bachelor endet; und eine zweite, wissenschaftlich orientierte, die mit einem Diplom oder Master abschließt. Wer in die Wissenschaft will, soll bei einem Graduiertenkolleg seinen Doktor machen. Verwirklicht von dieser neuen Studienstruktur sind bislang nur die Graduiertenkollegs, die seit Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen. Christian Füller

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