: „Die Crew hatte vor dem Schiff Angst“
■ Prozeß um den Untergang des Hamburger Frachters Scantrader: Sachverständige be- und entlasten die Reeder
An den Brennstoffwerten war irgendwas faul, die Dichtungsringe porös, der Kompressor irreparabel, Seewasserleitung und Rückstauklappen defekt: Der Zementfrachter Scantrader, soviel war dem Schiffsingenieur Kurt Taube klar, brauchte dringend eine Reparatur: „Die Crew hatte vor dem Schiff Angst“, erklärte Taube gestern vor dem Amtsgericht. „Ich habe dem Reeder einen Bericht gemacht, aber da ist nichts passiert“.
Taube zog die Konsequenzen: „Ich habe gekündigt.“Das war im Dezember 1989. Zwei Monate später, am 11. Februar 1990, sinkt die mit 2363 Tonnen Zement überladene Scantrader bei einem Sturm in der Bucht der Biskaya. Alle zwölf Seeleute kommen ums Leben. Die Hamburger und Lübecker Reeder – Heinrich B., dessen Sohn Heiner B. sowie Jerzy K. – müssen sich seit zwei Wochen für den Untergang des Schiffs vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, die Schiffssicherheit vorsätzlich gefährdet zu haben. Die ursprüngliche Anklage auf Mord wurde nicht zugelassen.
Und so ging es gestern mehr um technische Details denn um den Tod der zwölf Seeleute: Zu Ladekapazität und Stabilität des Frachters wurden drei Schiffsingenieur-Sachverständige gehört. Klar ist, daß er 2215 Tonnen Nettoladung nehmen konnte, sofern sich im Rumpf zusätzlich etwa 220 Tonnen Ballast befanden. Das bezeugte Egmont Streit, der die Scantrader vor ihrer letzten Fahrt auf einer Bremer Werft umgebaut hatte. Mit 2363 Tonnen war der Frachter also zweifellos überladen. Nur um wieviel und mit welcher Konsequenz für die Schiffssicherheit, ist umstritten: Es sei „fahrlässig“, eine Zahl für die Lademenge anzugeben, erklärte der Bremer Professor für Nautik, Hermann Kaps. Die Ladekapazität hänge von Jahreszeit, Wetter und der Ballastmenge ab. Weil die fehlte, habe sich der Schwerpunkt der Scantrader, so der Hamburger Sachverständige Willi Brockmann, zwangsläufig nach oben verlagern müssen: Eine Verschlechterung der Sicherheit. Der Sachverständige Hans-Otto Ebner dagegen führte – zur Entlastung der Reeder – den Untergang des Schiffs weniger auf mangelnde Stabilität denn auf „die Umbaukonstruktion“zurück. Insofern seien sämtliche Stabilitätspapiere „keinen Pfifferling wert“. Der Prozeß wird fortgesetzt. Heike Haarhoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen