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Ein sauberer Fluß wurde zum fauligen See

Heute muß sich die Weltbank mit der Beschwerde von Anwohnern des Yacyretá-Staudamms an der Grenze von Paraguay und Argentinien beschäftigen. Das unwirtschaftliche Projekt nahm vielen die Lebensgrundlage  ■ Von Heffa Schücking

Sassenberg (taz) – Heute muß der Aufsichtsrat der Weltbank über eines seiner umstrittensten Projekte befinden: den Yacyretá- Staudamm. Mit drei Krediten von insgesamt 894 Millionen US-Dollar hatte die Weltbank die Errichtung des monumentalen Bauwerks an der Grenze zwischen Praguay und Argentinien gefördert. Obwohl der Staudamm noch nicht vollendet ist, gilt er schon jetzt als Entwicklungsruine.

Die 65 Kilometer lange und 76 Meter hohe Staumauer des Yacyretá-Damms hat das Leben am Rio Raraná von Grund auf verändert. Aus dem einst fischreichen Fluß ist ein fauliger See geworden, der bis an die 80 Kilometer entfernt liegenden Städte Encarnación in Paraguay und Posadas in Argentinien heranreicht. Das Wasser hat längst die reichen Tonvorräte am Flußufer überschwemmt und damit tausend Töpfern die Lebensgrundlage genommen.

Auch Tausende von Fischerfamilien und Kleinbauern fürchten um ihre Zukunft, da das Land, auf das sie umgesiedelt wurden, unfruchtbar ist und die ausgezahlte Entschädigung zur Neige geht. Jetzt wollen die BürgerInnen von Encarnación und Posadas verhindern, daß die Staumauer weiter erhöht wird. Und sie fordern Wiedergutmachung.

Seitdem 1994 der Stausee gefüllt wurde, leben die 150.000 BürgerInnen der Stadt mit einer Abwasserkloake vor ihrer Haustür. Da ein Großteil der Vegetation nicht vor der Flutung entfernt wurde, setzt sich die verrottende Biomasse in den Uferbereichen des Sees ab. Wasser, das zuvor zum Trinken und Waschen genutzt wurde, ist unbrauchbar geworden. Durchfall- und Hautkrankheiten grassieren, denn das Wasser hat Abfallhalden und Latrinen überflutet, und es wurde versäumt, den Schlachthof umzusiedeln. Der leitet jetzt seine Abwässer direkt in den See ein.

Satellitenbilder zeigen zudem, daß ein Fluß wie der Rio Paraná sich nicht ohne weiteres in einen See bändigen läßt. Wasser aus dem Stausee sickert in die nördlich und südlich des Sees gelegenen Gebiete ein. Infolgedessen wird das Grundwasser kontaminiert, und landwirtschaftlich genutzte Flächen versumpfen. Falls die Staumauer wie beabsichtigt auf 83 Meter erhöht wird, würde der Stausee über 100.000 Hektar überfluten, und 50.000 bis 70.000 Menschen müßten umgesiedelt werden. Ganze Stadtteile von Encarnación, der zweitgrößten Stadt Paraguays, würden unter Wasser gesetzt.

Seit nunmehr 14 Jahren wird an dem Staudamm gebaut, und das Projektbudget ist bereits um 59 Prozent überschritten. Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank waren bereit, weiterhin Geld zu investieren, obwohl es 1996 in einem internen Weltbank-Bericht heißt: „Die Bank akzeptierte wiederholte Verletzungen der Kreditvereinbarungen und assoziierte sich weiterhin mit einer völlig unbefriedigenden finanziellen und operativen Durchführung... Die Projektkosten übersteigen bei weitem die Gewinne.“ Die 2.700 Megawatt Strom, die das Projekt liefern soll, werden nach Schätzung der Bank dreimal so teuer sein wie der durchschnittliche Elektrizitätspreis in Argentinien. Wie viele Weltbank-Berichte blieb auch dieser ohne Konsequenzen. Erst eine Initiative der betroffenen Bevölkerung zwingt den Aufsichtsrat der Bank, sich mit dem Desaster zu beschäftigen. Nach jahrelangen fruchtlosen Gesprächen mit der Staudammgesellschaft haben sich die BürgerInnen von Encarnación 1996 gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Sobrevivencia an den „Inspektion Panel“ der Weltbank gewandt – eine Art Beschwerdekommission letzter Instanz für lokale Bevölkerungsgruppen, die durch Weltbank-Projekte zu Schaden gekommen sind. Der Bericht des Panels bestädigt die Angaben der aufgebrachten BürgerInnen. Nun müssen die Exekutivdirektoren im Aufsichtsrat der Weltbank über die Beschwerde befinden und entscheiden, was aus Yacyretá werden soll.

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