Kontroverse um konfiszierte Hitler-Büste

■ Die Beschlagnahme der Hitler-Bronze von Breker ist noch immer nicht richterlich abgesegnet / Juristen: Staatsanwaltschaft handelte voreilig / Jüdischer Verein will angeblich Büste kaufen

Die Bremer Staatsanwaltschaft hält Hitlers in Bronze gegossenen Kopf weiter unter Verschluß, die Rechtslage ist aber nach wie vor ungeklärt. Die Bronzebüste des Hitler-Hofbildhauers Arno Breker war vor einer Woche nach einem Bericht in der taz beschlagnahmt worden. Sie sollte im Bremer Auktionshaus Bolland & Marotz unter den Hammer gehen. Die Staatsanwaltschaft sah „Gefahr im Verzuge“, jemand hätte die Büste verschwinden lassen können. Bis heute wartet der Auktionator aber auf einen Beschlagnahmebeschluß. „Der Staatsanwalt war wohl zu voreilig“, heißt es jetzt aus Bremer Anwaltskreisen, „kein Wunder, daß der Richter mit seinem Beschluß nicht rüberkommt“.

„Rechtlich kompliziert“sei der Fall in der Tat, sagt die Sprecherin der Bremer Staatsanwaltschaft, de Boer. Der Fall brauche daher Zeit. Dabei ist sich der Auktionator Marotz sicher: „Die gehen einfach auf Tauchstation. Dabei darf ich die Büste anbieten, weil es sich um Kunst handelt.“

Tatsächlich sieht das Strafgesetzbuch – die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der verbotenen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – einen Sonderpassus vor: Das Verbot gilt nicht, wenn das Verwenden der Kunst dient. Doch die Staatsanwaltschaft ignoriert das: „Der Kopf Hitlers ist das eindeutigste Symbol für die NSDAP. Deshalb gilt diese Ausnahme nicht“, erklärt de Boer – und verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH).

Daß es aber noch weitere Urteile zu diesem Komplex gibt, ist der Staatsanwaltschaft offenbar entgangen. Das kritisiert ein Rechtsexperte, der nicht genannt werden möchte. „Bei der Entscheidung einer Beschlagnahme greift die Staatsanwaltschaft oft nur zum verfügbaren Kommentar und nicht zur Urteilssammlung selbst. Dafür müßte man ja in die Bibliothek gehen“, sagt der Jurist. „Ich hätte die Büste nach der vorliegenden Rechtslage nicht beschlagnahmt.“

So beziehe sich das von der Staatsanwaltschaft zitierte BGH-Urteil nur auf rechtsradikale Flugblätter mit Hitler-Kopf-Emblem. Daneben habe der BGH aber in drei ähnlichen Fällen anders entschieden: Ein Auktionator hatte zum Beispiel Uniformteile mit SS-Symbolen angeboten. „Nicht verboten“, so der BGH: Denn die Objekte wurden einer seriösen Kunstsammlerszene angeboten, die mit rechtsradikalem Gedankengut nichts zu tun habe.

„Das Strafrecht soll dem Schutz unserer demokratischen Grundordnung dienen“, erklärt der Anwalt das Urteil – „und wenn kein Angriff vorliegt, ist das Verhalten aus strafrechtlicher Sicht wertneutral.“Warum der Bremer Auktionator die Büste für 13.000 Mark verkaufen wollte, erklärte er der taz: „Ich wollte zur Kontroverse um den Künstler Breker beitragen. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir Brekers Kunstwerke einfach so verschwinden lassen.“

Das sieht der Verein „Jüdisches Erbe“aus Berlin offenbar ähnlich. Der schrieb dem Auktionator Marotz nach dessen Aussage einen Brief. Der Inhalt: Ein Kaufangebot für die Hitler-Büste an den Staatsanwalt. Brekers Kunstwerke düften nicht aus dem Verkehr gezogen werden, man müsse sich damit auseinandersetzen. Der Verein ist allerdings weder den Jüdischen Gemeinden noch dem Zentralrat der Juden in Deutschland bekannt. Der Telefonanschluß in Berlin liegt brach – und der Auktionator will nicht mehr verraten. Er wartet den Richterentscheid ab. Katja Ubben