piwik no script img

Wirkstoffsuchmaschinengala

■ Das ZDF auf der Suche nach der Zukunft: Heute die Zukunftspreisverleihungsübertragung

„Paff!“ machte es, und Roman Herzog zuckte zusammen. Und – „Paff!“ – blähte sich ein Airbag auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin. Dorthin hatte der erschrockene Bundespräsident am Freitag zur Vergabe des „Deutschen Zukunftspreises“ geladen. Einen Scheck über 500.000 Mark hatte er mitgebracht sowie eine kurze Rede über „das Volk der Dichter und Denker, der Tüftler und Erfinder“, dann wider „blinde Technikgläubigkeit, Zwangs- oder Zweckpessimismus“ und es sich mit seiner Christiane in der ersten Reihe bequem gemacht.

Und in der Ersten Reihe außerdem. Denn der Präsident hatte die Erstvergabe seines Preises vom ZDF ausrichten lassen. Ihrem ZDF, dem einzigen Sender, der hierzulande willens und in der Lage ist, aus wetterfester Helikopter-Radarsensorik, Laser-Display- Technologie, Pharmawirkstoffsuchmaschinen, methanolbetriebenen Brennstoffzellen und virusvermittelten Antiwachstumsgentransporten eine 90minütige Galasendung zu basteln. Schließlich hat das gute alte ZDF für derlei Aufgaben das Know-how und: „Knoff-hoff“. Deshalb die paffenden Airbags. Ruckartig aufgeblähtes Nichts – „Knoff-hoff“ macht's möglich. Was, wenn nicht jenes wortgewordene Für-dumm-Verkaufen eines Millionenpublikums (das beim Griff in Physiklehrers Trickkiste vor lauter „Boah ey!“- und „Na, sag mal!“-Sagen gar nicht merkt, daß es nicht den geringsten Schimmer hat, wieso eigentlich) – was wäre geeigneter, als diese formatgewordene Ignoranz etwaiger Intelligenz, dieses pseudopopulärwissenschaftliche Blendwerk, dieses sinnentleert-optimistische Schwungrad für Technikbegeisterung, um das Fernsehfußvolk für staatlich geförderte Innovationen zu begeistern?

Fünf Forscher waren nominiert. Wie könnte es anders sein, kreuzbrave Männer mittleren Alters, die auf die Frage, was sie gegebenenfalls mit der halben Million machen würden, vor laufender Kamera antworten: „Ich würde meiner Frau einen Ring kaufen.“ Ansonsten blieb vor lauter knoffhoffiger Knalleffekte für eine adäquate Würdigung ihres verdienstvollen Tüftelns kein Raum. Statt dessen simulierten Artisten artig DNA, kleinkünstelte ein Seifenlaugenscharlatan Seifenblasenmetaphorik, machten Joachim Bublath und Babette Einstmann sachlich-charmante Überleitungen, wo es nichts überzuleiten gab.

Und wen das alles vor Ort langweilte, konnte noch immer Ulrich Meyer (3. Reihe), nebst Dieter Kronzucker (3. Reihe), Johannes B. Kerner (2. Reihe), Hilde Knef (1. Reihe) und Nadja Auermann (1. Reihe, Mitte!) anstarren oder ungeduldig auf dem Sitz rumruckeln. Und alle, die sich vor Ort nicht langweilen konnten oder durften, können das heute abend um 20.15 Uhr nachholen.

Preisträger wurde Christhard Deter. Seine Erfindung verbessert das Fernsehen. Zumindest technisch. Christoph Schultheis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen