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Von Seltengängern und Muffeln

■ Doof: Wenn Titanic-Humoristen sich über Weihnachten hermachen

Weihnachtsbücher sind Bücher mit Verfallsdatum, und man muß sich doch wundern, daß „Alle lieben Weihnachten“vom Lappan-Verlag in feste Buchdeckel gepackt wurde. Vorne drin soll man handschriftlich „Bilder und Worte für ....“ausfüllen, was ebenfalls Bücher haltbarer machen soll. Das grundsätzliche Problem aller Weihnachtsbücher ist, daß sie bestenfalls gelesen werden, wenn das Fest schon gelaufen ist. Es muß schon einiges für die Autoren sprechen, daß man dann noch nach einem geschenkten Weihnachtsbuch greift.

Spricht es für die Autoren von „Alle lieben Weihnachten“, daß sie mehrheitlich für taz und Titanic tätig sind? Ein beherztes „Ja“sei hier versuchsweise geschmettert. Wenn sich gleich drei Herren des Kalibers Eilert/Gernhardt/Knorr über unser Thema beugen und es sie aus Altersgründen nicht mehr drängt, Kinder, Pfaffen oder Kleinfamilien zu demaskieren, dann kann ein instruktives Stück entstehen. Der Leitfaden für „Seltengänger“reiht sorgsam auf, wie sich Ungeübte in der Weihnachtsmesse zu verhalten haben. Denn dort ist alles anders als sonst: Man zahlt keinen Eintritt, knabbert kein Kleingebäck, das Licht bleibt an, und zum Beten faßt man nicht die Nebensitzer an, sondern sich selbst etc ...

Was aber fängt unser aller Fanny Müller mit Weihnachten an? Sie verreist, was leider nicht überrascht. Immerhin verdanken wir ihr den Vati-Beschenk-Tip: alljährlich dieselbe Krawatte schenken und nach der Feier wieder einpacken. In einem zweiten Weihnachtstext formuliert Frau Müller übrigens: Inzwischen selbst im Besitz dreier Nichten, gelange auch ich in den Genuß persönlich gefertigter Gaben. Solch geschraubten Dünnstuß wollen wir nicht hören und noch weniger lesen, offenbart er nur Indiskretes über die Autorin selbst, und da bekommen wir rote Ohren.

Schauen wir, was Herrn Thomas Gsella zu Weihnachten einfiel. Nichts Gutes, wie man sich denken kann. Es richtete die schärfste Waffe der Titanic, den Telefon-Fake, gegen das Christkind persönlich bzw. dessen Stellvertreter auf Erden, die Post. Da ließ er ein Mädchen, querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzend und viel gehänselt, sich eine Waffe wünschen, und was antwortet das Christkind: Standardgesuppe wie denke auch an die vielen Kinder, denen es nicht so gut geht. Eine Bettina aus Hamburg, die sich vom Christkind die Periode (oder wie das heißt) wünschte, erfuhr: ... bis es so weit ist und das Glöckchen bei Dir klingelt, mußt Du noch etwas warten. Wir wollen den Mut des Herrn Gsella loben, wohl wissend, daß das Christkind ihn fürderhin schneiden wird.

Nur weil die Kerle die Frauen jahrtausendelang unterdrückt haben, ein Satz von Simone Borowiak („Frau Rettich, die Czerni und ich“): Mer kann sisch net des ganze Jahr ufführe als wie'n Stück Scheiße, un am 24.12. soll dann der ganze Käs gegesse sein! So isses!

Ein Weihnachtsbuch von taz- und Titanic-Humorspezialisten möchte man eigentlich lieber doch nicht haben. Schon gar nicht geschenkt. Burkhard Straßmann

Alle lieben Weihnachten. Bilder & Worte. Lappan Verlag, 20 Mark

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