: „Gebrüll“um Bremens Haushaltslöcher
■ Großer Streit um die Defizite aus dem Jahre 1997: Parlamentarier strichen die Extrawurst für Scherfs Justizressort / Haushaltsdeckung 1997 nur über Verkaufserlöse kurzfristig zu sichern
Mit einem großen Krach endeten gestern die Beratungen im vertraulichen Haushaltsausschuß, bevor am kommenden Dienstag der große öffentliche Schlagabtausch in der Bürgerschaft angesagt ist: Die Haushälter der Koalition lehnten es ab, dem Justizsenator Henning Scherf seine Etatüberschreitungen von 8,7 Millionen Mark für das laufende Jahr 1997 schlicht zu spendieren. Die Vorbesprechung zum Haushaltsausschuß zwischen CDU, SPD und dem Justizressort seien in „Gebrüll“untergegangen, so daß Justizstaatsrat Ulrich Mäurer wutentbrannt den Raum verlassen und nicht mehr an der Ausschußsitzung teilgenommen habe, berichtet ein Teilnehmer. Alle anderen Ressorts, so hatte der Senat am Dienstag beschlossen, sollen ihre Defizite aus dem Jahr 1997 als „Verlustvortrag“im kommenden Haushaltsjahr abarbeiten. Durch schlichtes Sparen wird dies aber nicht möglich sein. Im Falle des Sportetats sind das 1,8 Millionen. Das Sportressort kann einige Flächen verkaufen, um die Haushaltslöcher der beiden Jahre zu stopfen. Im Falle des Bildungsressorts beträgt das Defizit aus 1997 9,4 Millionen; wenn im kommenden Jahr dieselbe Summe als Haushaltsüberschreitung dazukommt, dann muß das Ressort die Schule Holter Feld verkaufen. Das Kulturressort hat keinerlei Vorschlag gemacht, wie das Defizit von 17 Millionen aus 1997 gedeckt werden soll – zur Verärgerung der Parlamentarier.
Dem Justizressort wollte der Senat die Minus-Summe von 8,7 Millionen einfach erlassen. „Das ist ein Bürgermeisterbonus“, schimpfte die Oppositionspolitikerin Elke Kröning. Und für sie hat das System einen Namen: „Das ist die Mißwirtschaft der Scherf-geführten Ressorts, früher Soziales und Bildung, heute Justiz.“
Die Vertreter der Koalition im Haushaltsausschuß müssen das ähnlich gesehen haben, sie kippten nämlich den Senatsbeschluß und verlangten, daß das Justizressort über Verkäufe (Dienstwohnungen u.a.) und Sparmaßnahmen seine Defizite selbst ausgleicht – so wie die anderen Ressorts auch.
Den Etatentwurf für 1998 beriet der Haushaltsausschuß nicht weiter, sondern sparte sich das Thema für die öffentliche Debatte am Dienstag auf. „Da sind bei den Einnahmen lauter Luftbuchungen“, kritisiert die AfB-Vertreterin Kröning das Zahlenwerk. Mehrere hundert Millionen Mark sollen durch Vermögensverkäufe hereinkommen, die Liste ist genauso lang wie alt – „nicht eine Sache von dieser Liste ist in dem laufenden Jahr 1997 wirklich verkauft worden“. Bei den Verkaufserlösen für die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB), die im Haushalt als Einnahmen stehen, sei in keiner Weise klar, was wirklich als Verkaufspreis herauskomme und was davon nach der gültigen Rechtslage an die Gebührenzahler weitergegeben werden müsse, hat die AfB schon vor Tagen kritisiert.
Im Etatentwurf 1998 fehlt dagegen jeder Hinweis darauf, daß durch die Umsetzung von Strukturreformen, wie sie zuletzt wieder die McKinsey-Berater vorgeschlagen haben, gespart werden könnte. „Daß die BreHoch nicht endlich privatisiert wird, kostet Bremen Jahr für Jahr 60 bis 80 Millionen“, kritisiert Kröning. Schon 1996 habe die AfB das gefordert, jetzt sei die Frist für die BreHoch wieder um drei Jahre verlängert worden. Für sie ist das nur ein Beispiel: „Aufgabenkritik – findet nicht statt.“
Gleichzeitig ist klar, daß die Finanzierung von Haushaltslöchern durch Vermögensveräußerungen gerade noch für den Etat 1999 reicht – danach ist dann Ende der Fahnenstange. Kröning zu dem grundsätzlichen Problem: „Wir verspielen die Möglichkeiten zukünftiger Generationen, hier noch etwas zu gestalten.“
K.W.
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