Bosnienhilfe der Bundeswehr in der Kritik

Deutsche Hilfsorganisationen in Bosnien-Herzegowina befürchten, vor den Karren der Regierungspolitik gespannt zu werden. Bundeswehrexperten sammeln Informationen über Gebiete für Rückkehrer  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Erhebliche Unruhe hat das Engagement der Bundeswehr unter zivilen deutschen Hilfsorganisationen in Bosnien-Herzegowina ausgelöst, bei der Rückkehr von Kriegsflüchtlingen aus Deutschland tätig zu werden. Einige Mitarbeiter regierungsunabhängiger Hilfsorganisationen (NGOs), die nicht genannt werden wollen, befürchten, daß sie mit der Einrichtung eines Büros des „Beauftragten zur Flüchtlingsrückkehr“ unter Leitung des CDU-Bundestagsabgeordneten Dietmar Schlee in die politischen Ziele Bonns eingebunden werden sollen. Schlee ist zugleich übergeordnete zivile Instanz der Cimic, einer 65köpfigen Truppe der Bundeswehr, die Informationen über Rückkehrgebiete sammelt. Sie speist unter anderem Daten über Einwohnerzahl, ethnische Zusammensetzung, Wohnraum, Wirtschaft, Aufnahmekapazität ins Internet ein. Gemeinden in Deutschland, in denen Flüchtlinge leben, können diese Informationen abrufen.

Noch im Frühjahr dieses Jahres erschien Beobachtern das Vorhaben der Regierung, einen „Beauftragten für die Rückkehr“ zu benennen und auch die Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina zu Einsätzen des zivilen Wiederaufbaus zu veranlassen, durchaus akzeptabel. Die damals angewandten Methoden, Flüchtlinge unter Einsatz von Gewalt zur Rückkehr zu bewegen, forderte heftigen öffentlichen Widerspruch heraus. In der Tat kehrten 80.000 von ehemals 320.000 Kriegsflüchtlingen zurück. Das Gesicht des „häßlichen Deutschen“ zeigte sich aber in Gestalt von Polizisten, die traumatisierte Opfer zur frühen Morgenstunde aus den Betten holten, um sie in ihre Heimat abzuschieben. Daß die meisten in Deutschland verbliebenen Kriegsflüchtlinge aus den heute serbisch kontrollierten Gebieten stammen, also gar nicht an ihre Heimatorte zurückkehren können, war eines der durchschlagenen Argumente, um eine „sanftere“ Gangart durchzusetzen. Selbst Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) ging die harte Linie des Innenministers Manfred Kanther (CDU) und der Innenministerkonferenz zu weit.

Daraufhin wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus den Ministerien Innen, Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Innenministerkonferenz ins Leben gerufen. Die Bundeswehr erhielt am 26. Juni zunächst die Aufgabe, Informationen für die Flüchtlingsrückkehr zu beschaffen. Die Spezialtruppe Cimic soll in den Gemeinden der bosniakisch-kroatischen Föderation umfassende Informationen sammeln. Bemerkenswert ist, daß die Truppe dem nationalen deutschen Befehlshaber in Bosnien-Herzegowina, General Göbel, unterstellt und also nicht Teil der internationalen Friedenstruppen SFOR ist.

Über diese Konstruktion können die Internetdaten den Gemeinden in Deutschland zur Verfügung gestellt werden.

Da die meisten in Deutschland weilenden Kriegsflüchtlinge aus Gebieten stammen, die heute in der sogenannten Republika Srpska liegen, muß Cimic auch die Dienste von SFOR in Anspruch nehmen. Angesichts des serbischen Feindbildes „Deutschland“ ist es ihr verwehrt, in den serbisch kontrollierten Gebieten aktiv zu werden. SFOR unterhält mit der Abteilung CMTF (Civil Military Task Force) Spezialisten bereit, die ebenfalls auf diesem Feld arbeiten und die deutsche Cimic- Truppe unterstützen.

Cimic evaluiert schon jetzt Projekte, zu deren Umsetzung sie die Hilfe von anderen Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen muß. In den nahe bei Sarajevo gelegenen Gemeinden Kresevo, Breza und Konjic werden Wohnungen gebaut, Infrastrukturverbesserungen sind geplant, die Renovierung von Schulen in Angriff genommen. Die Bundeswehr ist in Gestalt von Cimic als eigenständige „Hilfsorganisation“ aktiv. Daß die Truppe aber mit dem Büro des Beauftragten für die Flüchtlingsrückkehr, Dietmar Schlee, eine nichtmilitärische Instanz als übergeordnet akzeptiert, ist einmalig.

Schlee versucht, die Aktivitäten der Hilfsorganisationen vor Ort zu lenken. Mit dem Versprechen, Gelder der Europäischen Union zu requirieren, versucht Schlee sowohl Gelder für die Bundeswehr wie auch für die Hilfsorganisationen lockerzumachen. Das Argument, Deutschland sei der größte Zahler, die deutschen Hilfsorganisationen jedoch würden in Brüssel benachteiligt, ist dabei der Trumpf. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die bezeichnenderweise nicht genannt werden wollen, vermuten aber, die Mission diene weniger den Hilfsorganisationen, sondern vor allem dazu, Cimic und damit der Bundeswehr Hilfsgelder der EU zuzuschustern.

Mit seinem harschen Auftreten in Sarajevo – Schlee soll bei Sitzungen mit anderen internationalen Vertretern sogar mit der Faust auf den Tisch gehauen haben – hat sich Schlee zudem nicht nur Freunde gemacht. Der gute Ruf der deutschen Diplomatie in Bosnien-Herzegowina wird zunehmend beschädigt, weil Schlee lediglich die Rückkehr der Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen im Auge hat. In diplomatischen Kreisen wird vermutet, die Aktivitäten seines Stabes und der Bundeswehr zielten letztlich darauf, die Rückkehr von Vertriebenen aus der Republika Srpska in die bosniakisch-kroatische Föderation zu organisieren. Dies jedoch unterlaufe das Abkommen von Dayton.