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Le Pens Tiefschlag

Frankreichs Rechtsextremistenführer nennt Gaskammern „Detail“ der Geschichte, um die Gaullisten zu ärgern  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Jean-Marie Le Pen, Chef der französischen Rechtsextremen, hat es wieder gesagt: „Die Gaskammern sind ein Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs.“ Zehn Jahre, nachdem er mit dem antisemitischen Satz zum ersten Mal Furore machte und sich eine hohe Geldstrafe einholte, zitierte er ihn am vergangen Freitag in München wieder – im Beisein des einstigen Waffen-SSlers Franz Schönhuber.

Der Satz weist Le Pen erneut als Meister sorgfältig kalkulierter Tiefschläge aus, bei denen weder Ort, Zeitpunkt und Anwesende noch die mediale und politische Wirkung dem Zufall überlassen sind. In Paris ließ die Reaktion nicht lange auf sich warten. Mehrere antirassistische Gruppen erstatteten Anzeige. Journalisten setzten den Rechtsextremen nach mehrmonatiger Quarantäne wieder auf die Titelseiten.

Die eigentlichen Adressatin der Erklärung war dieses Mal aber nicht die französische Linke, sondern die etablierte Rechte sowie jene Kräfte in Le Pens Front National (FN), die zu einer Zusammenarbeit mit den gemäßigten Rechtsparteien bereit sind – darunter auch Le Pens innerparteilicher Hauptkonkurrent, Bruno Mégret.

Die etablierte Rechte befindet sich seit ihrer Wahlniederlage gegen die Sozialisten im Juni in einer desolaten Lage. Knapp vier Monate vor den Regional- und Kantonalwahlen, bei denen sich ein neues Debakel abzeichnet, haben weder die liberale UDF noch die neogaullistische RPR eine erkennbare politische Linie oder auch nur Führungsfiguren hervorgebracht. Statt dessen produzieren die beiden Parteien, die zusammen nur noch knapp über 30 Prozent der Wähler hinter sich bringen, widersprüchliche Signale: Der Staatspräsident und einstige RPR-Gründer Chirac lehnt jede Zusammenarbeit mit der FN ab. Andere – wie Ex-Landwirtschaftsminister Philippe Vasseur – meinen, sie hätten kein Problem mit lokalen Bündnissen mit den Rechtsextremisten, oder sie erklären – wie Ex-Wirtschaftsminister Alain Madelin – ihre Bereitschaft zu einer Debatte mit der FN. Ex-Innenminister Charles Pasqua beschreibt Le Pens Wähler gar als „ganz normale Franzosen“.

Vereinzelt kommt es bereits zu konkreter Zusammenarbeit. So demonstrierten am Samstag in Nizza 4.000 Menschen zusammen mit RPR-Bürgermeister Jacques Peyrat, einem einstigen FN- Mitglied, und der lokalen Front National gegen den Ausländergesetzentwurf der Regierung, skandierten „Frankreich den Franzosen“ und „Ein Ende der Invasion“. In Paris schlug der ehemalige Erziehungsminister François Bayrou ein Referendum über die Einwanderung vor – wissend, daß bis dato bloß Le Pen eine derartige, im übrigen verfassunswidrige Initiative in die Diskussion gebracht hat und mit seiner Politik der „nationalen Präferenz“ auch als einziger davon profitieren würde.

Le Pens Münchner Erklärung hat weiteren Diskussionen über eine rechtsextrem-rechte Zusammenarbeit nun einen Riegel vorgechoben. Le Pen will mit der etablierten Rechten erst dann zusammenarbeiten, wenn diese vollends auf den Knien ist und er allein die Bedingungen diktieren kann. Umgekehrt können traditionelle französische Konservative nicht mit einem ausgewiesenen Antisemiten zusammenarbeiten, der sich im Gegensatz zu der oft aus der RPR rekrutierten jüngeren Garde der Front National auf den ideologischen Bodensatz von Vichy-Kollaborateuren stützt. Zumindest nicht offen.

An dem immer größeren Einfluß der Front National auf Frankreichs Politik ändert das nichts. Binnen knapp zwei Jahrzehnten ist sie von einer Splittergruppe zu einer 15-Prozent-Partei mit wachsender Tendenz mutiert. Sie stellt Bürgermeister in vier südfranzösischen Städten, zahlreiche Gemeinde- und Regionalräte im ganzen Land, hat eigene Gewerkschaften und seit Juni auch einen Abgeordneten in der wegen des Mehrheitswahlrechtes nur schwer erreichbaren Nationalversammlung. Nach den Regionalwahlen im März, wenn in vielen der 22 Regionen weder die vereinigten Linken noch die etablierten Rechten eine absolute Mehrheit haben werden, wird die Front National vielerorts zur Merheitsbeschafferin werden.

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