: In der Farbe des Wahnsinns
■ Achternbuschs „Picasso in München“läßt rote Kühe fliegen
An der Seine passiert es bisweilen, daß die Geister der Vergangenheit, etwa Georges Braques, Edith Steins oder Velazquez' wieder auferstehen zu einem Zwiegespräch mit den Lebenden. Paris, so schwärmt Picasso nach seiner Wiederauferstehung in München, ist die Stadt, in der Unmögliches möglich wird. Aber in München? Da gibt es Brezel, Leberkäs, Weizenbier und Lederhosen, also ein Sammelsurium von Phantasie-Narkotika, die sich kaum als Station für eine Seele auf Wanderung empfehlen. Aber was ein echter Picasso ist, für den gibt es keinen Gegenstand, der sich nicht malen ließe und keinen Ort, an dem er keinen Harem hätte.
Wie in Sartres Das Spiel ist aus, in dem Wiederauferstandene versuchen, Versäumtes nachzuholen, so kehrt auch Picassos Seele in Achternbuschs Körper zurück, - Oder ist es umgekehrt? Oder noch ganz anders? - um nach der Rosa und Blauen die überfällige Gelbe Periode nachzuholen. In den Bildern des Malers Achternbusch spielt diese „Farbe des Wahnsinns“lange schon eine wichtige Rolle. „Wenn ein Maler sich nicht auf Gelb einläßt, dann ist er nichts Besonderes“, sagte er. Und so verhilft der Regisseur Achternbusch dem spanischen Maler zur Vollendung seines Werkes.
Um sich an seine neue Hülle zu gewöhnen, nistet sich Picasso bei dem Therapeuten Brösel (Josef Bierbichler) und dessen Frau Fregatte (Barbara Gass) ein. Bierbichler überzeugt in seiner trottelig-ernsten Art, ob er in seinem Sprechzimmer als Verführer versagt oder Fregatte eine Gurkenmaske aufträgt.
Als Picasso Takla Bash (Doris Jung) begegnet, macht er sie zu seiner Muse und verspricht ihr die Hauptrolle in einem Film. Da sich herausstellt, daß sie seine Tochter ist, muß das Drehbuch umgeschrieben werden, um das inzestuöse Verhältnis wenigstens vor laufender Kamera fortführen zu können.
Für Achternbusch ist die Leinwand der Ort, an dem die Logik keine Gültigkeit hat. Plötzlich tauchen an Menschenköpfen Stierhörner auf, Sequenzen mit einem in der Fußgängerzone spielenden Jungen werden eingeblendet wie auch die in seinen Filmen immer wiederkehrenden Elefantenaufnahmen.
Picasso in München ist ein echter Achternbusch, bei dem sich am Ende niemand wundert, wenn rote Kühe fliegen lernen.
Joachim Dicks
nur noch morgen, 21.15 Uhr, Metropolis
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