piwik no script img

„Ich weiß es nicht“

■ Scantrader-Prozeß: Zeugen der Anklage können oder wollen sich nicht erinnern

„Ja, wir haben telefoniert.“Die Frau blickt den Richter an. Acht Jahre sind eine lange Zeit. Zuletzt habe sie Anfang Februar 1990 Kontakt mit ihrem Mann Elmar U., Kapitän auf dem Zementfrachter Scantrader, gehabt: „Er sagte: ,Wenn wir fertig sind, laufen wir aus.' Er wollte wieder anrufen.“

Es war das letzte Gespräch zwischen den Eheleuten. Am 11. Februar 1990 sank die mit 300 Tonnen Zement überladene Scantrader bei einem Sturm in der Biskaya. Alle zwölf Seeleute kamen ums Leben. Weil die Schiffssicherheit vorsätzlich gefährdet wurde, wirft die Staatsanwaltschaft den drei Reedern aus Hamburg und Lübeck vor.

Der Richter bemüht sich, Marlies U. die Zeit ins Gedächtnis zu rufen: Ob ihr Mann nie von Schwierigkeiten des Schiffs erzählt habe? Von den Problemen mit der Reederei, die ihn zwang, mehr zu laden als zulässig? Was ihr die anderen Besatzungsmitglieder bei ihrem Besuch auf dem Schiff erzählt hätten? Achselzucken. Die 47jährige „weiß es einfach nicht“.

Auch der polnische Kapitän K., Vorgänger von U., will „mit all dem nichts mehr zu tun haben“, ließ er gestern dem Gericht ausrichten. Im Ermittlungsverfahren vor vier Jahren hatte er noch erklärt, an Bord hätten die Stabilitätspapiere gefehlt. Staatsanwalt Harald Allerbeck setzt sein Pokerface auf: Soeben hat sich sein Haupt-Belastungszeuge verabschiedet.

Derweil ein Vor-Vorgänger-Kapitän die Reeder entlastet: Es hätten sehr wohl Stabilitätsunterlagen existiert, allerdings wisse er nicht, welche. Die vorgeschriebenen Tonnen Ballast jedoch habe er „nie geladen“: Niemand habe ihn über diese Notwendigkeit aufgeklärt. Der Prozeß wird fortgesetzt. hh

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen