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Berlin, Stadt des Reimzwangs Von Carola Rönneburg

Wer jemals Berlin besuchte und die U-Bahn benutzte, dem hat sich eins ganz bestimmt unauslöschlich ins Hirn gebrannt: die „Paech- Brot“-Werbetafeln. „Der Orje fragt den Kulle / haste nicht 'ne Paech-Brot-Stulle?“ heißt es da, oder auch: „Ganz furchtbar schimpft der Opapa / die Oma hat kein Paech-Brot da.“ Es ist bezeichnend für den Zustand dieser Stadt, daß gerade der letzte Reim noch nie von den berühmten Berliner U-Bahn-Schmierern mit einem „Heul!“ oder „Brrr“ versehen wurde; schon zweimal aber habe ich das alberne Frauenzeichen unter diesen Zeilen gesehen.

Wenn ich Gäste beherberge, die mir nach einem Ausflug am Abend erschüttert von ihren Paech-Brot- Erlebnissen berichten, tröste ich sie mit Eintragungen aus einem kleinen Notizbuch, das ich stets bei mir führe. „Paech-Brot“, doziere ich dann, „ist nur der Schatten des Grauens.“ Und wenn ich dann zweifelnde Blicke ernte, lege ich los, immer noch in der U-Bahn verortet: „Gedränge nur dem Dieb gefällt / drum Augen auf und Hand aufs Geld!“ Ich sehe in fassungslose Gesichter. „Oh doch“, sage ich und lege nach: „Willst du deinen Walkman hören / leise wird er keinen stören.“ Die Zuhörer schütteln die Köpfe. „Trotz Staub und Leiter / der Verkauf geht weiter!“ wende ich mich der Obergrund-Dichtung zu, in diesem Fall einem Hinweis in einer Boutique, die von Handwerkern heimgesucht worden war. Und nun bin ich in meinem Element: „Matratzen und Liegen, das wußt' ich / gibt's Potsdamer 152!“ füge ich hinzu. Jemand verlangt nach Alkohol. „Früher oder später / trinken alle Wurzelpeter“, bestätige ich.

Nun versucht man, das Thema zu wechseln; „Shopping in Berlin“ soll es lauten. „Wat wollta lange loofen / kommt zu Krauses koofen“, schlage ich vor und empfehle außerdem: „Frische Würmer bis um acht / gibt es, wo der Biber lacht“ – ein kleiner Tip für den Hobbyangler, aus dessen Doppelnelson ich mich rasch befreien kann. Leichtfüßig springe ich über das Sofa und weiche einem Aschenbecher aus: „Macht hier einer auf Gewalt / rufen alle halt halt halt“ ermahne ich die Bande. „Soll dein Heim behaglich sein / so kauf bei Teppich-Tegel ein.“

„Wißt ihr eigentlich, daß es innerhalb Berlins kleine Schrebergartenansiedlungen gibt?“ lenke ich dann ein wenig ab, denn meine Besucher haben soeben die Sicherungen herausgedreht. „Manche von ihnen sollten auch schon irgendwelchen Bauvorhaben weichen“, fahre ich im Schein meiner Taschenlampe fort, „aber sie wehrten sich: „Die Politik gab uns ihr Wort / und heute? Kolonienmord!“

Ich ignoriere das verzweifelte Rütteln an meiner Wohnungstür, außerdem habe ich gut abgeschlossen. Vielleicht sollten wir etwas essen, fällt mir ein. „Jemand dabei?“ frage ich und höre eine Stimme von „einem großen, blutigen Steak“ murmeln. Das ist mir recht: „Das ist der Clou von Barbecue / Ideen vom Grill / wie jeder sie will“ schmettere ich fröhlich. Und wie ging das noch weiter? Genau: „Wer dies Steakhaus nicht kennt / verdient, daß ihm die...“

An dieser Stelle wurde ich niedergeschlagen. Bevor ich das Bewußtsein verlor, vervollständigte ich röchelnd mein vorerst letztes Beispiel für den Berliner Reimzwang: „...verdient, daß ihm die Backe brennt.“

Dann wurde es wirklich dunkel.

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