: Scheitert Rentenkompromiß an 610-Mark-Jobs?
■ Möglicher Konsens im Vermittlungsausschuß über Mehrwertsteuer stolpert über Minijobs
Bonn (taz) – Die Chancen auf einen Rentenkompromiß sind wieder erheblich gesunken. Bei den entscheidenden Beratungsgesprächen im Vermittlungsausschuß zwischen Koalition und Opposition kam es gestern abend zum Streit um die 610-Mark-Jobs. Die SPD macht dafür die FDP verantwortlich, die auf die Beibehaltung der sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse beharrt. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle bewertete die Einigungschancen mit 50 zu 50.
Zuletzt schien es nur noch eine Formsache zu sein, daß sich Koalition und Opposition darauf einigen, die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zu erhöhen, um den Anstieg der Rentenbeiträge von 20,3 auf 21 Prozent zu verhindern.
Union und FDP hatten eingelenkt, indem sie darauf verzichtet hatten, die Rentenstrukturreform schon auf 1998 vorzuziehen. Die SPD ließ sich im Gegenzug darauf ein, nur die Mehrwertsteuer und nicht zugleich auch die Mineralölsteuer zu erhöhen. Allerdings fordert die SPD zusätzlich eine Einschränkung der 610-Mark-Jobs, um mit den Mehreinnahmen die Rentenkasse zu entlasten. SPD und CDU sind sich einig, daß nur diejenigen Arbeitnehmer betroffen sein sollen, die den 610-Mark- Job nebenberuflich ausüben, sowie Rentner. Es geht dabei um 1,4 Millionen Nebenerwerbstätige, die rund 25 Prozent aller Minijobs ausfüllen, und 457.000 Rentner.
Die FDP bestand gestern erneut darauf, daß es keinerlei Einschränkungen der 610-Mark-Jobs geben solle. FDP-Chef Wolfgang Gerhard und Generalsekretär Westerwelle boten lediglich an, die Einkommensbeträge der geringfügigen Beschäftigungen langfristig einzufrieren. Wie die SPD berichtet, würde Fraktionschef Hermann Otto Solms erste Einschränkungen beim Mißbrauch der 610-Mark- Jobs mittragen.
Die Rentenfrage soll nach Ansicht aller Parteien unabhängig von einer Steuerreform gelöst werden. Die Chancen für eine Einigung darüber werden allgemein als sehr schlecht beurteilt. Während die SPD den gesamten Tarifverlauf um vier Prozent senken will, besteht die Union auf durchgängige Entlastung um zehn Prozent. Einig ist man sich über das Schließen von Schlupflöchern in Höhe von 25 Milliarden Mark. Markus Franz
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