: Chronik einer angekündigten Pleite
■ Der Finanzkollaps der FDP war abzusehen. Parteichef Gerhardt will „Freunde“ anpumpen
Ausgerechnet die Partei der Besserverdienenden hat kein Geld mehr. Durch den juristisch geahndeten, 10,5 Millionen Mark teuren Formfehler ihres Schatzmeisters Hermann Otto Solms hat sich die FDP weiter an den Rand des finanziellen Ruins manövriert. Der aber hätte ohnehin gedroht: Bereits 1996 erwirtschaftete die Partei ein Defizit von 6,6 Millionen Mark. Ein Großteil der Miesen, sechs Millionen Mark, gingen auf das Konto der Bundes-FDP. „Eigentlich hätte 1996 ein Jahr sein müssen, in dem man für den Wahlkampf spart“, kommentierte die Schatzmeistern der Konkurrenz, Inge Wettig-Danielmeier (SPD). Jetzt sei die Konkurrenzfähigkeit der Liberalen stark eingeschränkt, meinte sie nicht ohne Schadenfreude.
Die FDP gibt sich freilich noch nicht geschlagen. Sie will das Kölner Urteil im Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anfechten. „Ich weiß nicht, wie die nächste Instanz gegen das sehr klare Urteil Einwände vorbringen kann“, sagt Dietmar Strehl, Schatzmeister der Grünen. Wegen ähnlicher Formfehler hätten bereits andere Parteien – Graue Panther, „Republikaner“, Südschleswigscher Wählerverband – kein Geld vom Staat erhalten, ohne daß die FDP protestiert hätte. „Der Ruf nach Chancengleichheit ist deshalb scheinheilig“, so Strehl.
Die FDP will jetzt weniger ausgeben und öfter Betteln gehen. Hat die Partei in Wahlkämpfen sonst zehn bis zwölf Millionen Mark investiert, soll der nächste Wahlkampf nur fünf bis sechs Millionen kosten. Geld sei nicht alles, beschönigte Guido Westerwelle, und kündigte eine „einfallsreiche und pfiffige Kampagne“ an.
Der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt will sich gezielt an seine besserverdienende Klientel wenden, um Notgroschen einzuwerben. „Wir werden Persönlichkeiten ansprechen, die uns in dieser Situation helfen“, sagte er. In den 80er Jahren hatte die FDP im Zentrum des Flick-Parteispenden- Skandals gestanden. Später tauchte eine anonyme Spende über sechs Millionen Mark auf, als deren Absender sich Kaufhausbesitzer Horten entpuppte.
Bereits jetzt finanziert sich die FDP, genau wie die übrigen Parteien, zu einem Drittel über Spenden. Im letzten Jahr erhielt die FDP 14,2 Millionen Mark auf diesem Weg. Die größte Einzelspende in Höhe von 300.000 Mark kam von einer Düsseldorfer Briefkastenfirma namens „Delphi“, hinter der laut Informationen der Frankfurter Rundschau Rolf Wegener steckt, ein in Monte Carlo wohnender Waffenhändler. Noch am Freitag hatte sich Möllemann für Wegener öffentlich verbürgt: „Ich kenne den Spender, ich schätze ihn auch.“ Möllemann selbst spendete 1996 52.500 Mark aus eigener Tasche an seine Partei.
Seit Jahren geht es finanziell abwärts. Nahm die FDP 1990 noch 83,8 Millionen Mark ein, waren es 1995 ganze 45,9 Millionen. Der Grund: massenhafte Parteiaustritte und Einbrüche bei Parteispenden. 1993 hatte die FDP 94.000 Mitglieder, heute sind es rund 70.000. Die Finanzlage verschlechterte sich drastisch, als 1995 wegen der Änderung des Parteiengesetzes die Spenden um 34 Prozent zurückgingen.
Als einzige Bundespartei kann sie aus eigener Kraft nicht einmal ihre Personal- und Verwaltungskosten decken. 1995 fehlten dazu 3,5 Millionen Mark. Die Bundes- FDP verfügte Ende 1996 über ein Guthaben von neun Millionen Mark, das allerdings zu einem großen Teil in Form von Immobilien existiert. Ist die Partei zahlungsunfähig, muß die FDP ihre Häuser verkaufen. Ariel Hauptmeier
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