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Süd-Korea macht es vor: So schnell stürzt ein Land ab

■ Innerhalb weniger Wochen ist Süd-Korea vom 11. auf den 20. Platz der Wirtschaftsnationen abgesackt: Die Landeswährung verliert täglich 10 Prozent an Wert

Berlin (taz) – Langsam, aber ziemlich sicher zieht in Süd-Koreas Finanzkreisen Panik auf. Die Börsen in Südostasien, vor allem in Indonesien und Süd-Korea, sacken weiter täglich ab. Die Währungen folgen. Wenn nicht schnell gehandelt wird, droht die neuerliche Finanzkrise auf Japan und damit eventuell auf die ganze Welt überzugreifen. Der Grund für den neuen Krisenschub: Täglich werden neue kurzfristige Schulden bekannt. Gestern stand der Schuldenpegel für Kredite, die im Laufe des nächsten Jahres fällig werden, bei etwa 100 Milliarden Dollar. Die meisten Experten hatten die Summe nur etwa halb so hoch geschätzt. Die Koreaner hatten keine genauen Zahlen vorgelegt.

Als der Internationale Währungsfonds ein 57-Milliarden-Dollar-Hilfspaket geschnürt hatte, waren Börsenkurs und Währung zunächst etwas gestiegen. Jetzt fallen sie wieder. Die südkoreanische Währung, der Won, hat vier Tage hintereinander je zehn Prozent verloren. Der Absturz wäre noch kräftiger ausgefallen, wenn nicht bei dieser Schwelle täglich der internationale Handel mit der Währung ausgesetzt worden wäre. In Dollar gerechnet ist Süd-Korea damit auf Platz 20 der Wirtschaftsnationen zurückgefallen. Vor der Krise stand es noch auf Platz 11.

Gestern hat der Won nach Eingriffen der südkoreanischen Notenbank eine kurze Verschnaufpause eingelegt. Aber die massiven Käufe der eigenen Währung haben die Devisenreserven auf schlappe 3,2 Milliarden Dollar schrumpfen lassen. Eine derart geringe Summe bedeutet das Ende jeden Handlungsspielraums.

Die Koreaner werden also wohl den Gang nach New York antreten müssen. Dort sitzt der Internationale Währungsfonds (IWF). Er soll nun die bisher vereinbarten 57 Milliarden Dollar an Hilfskrediten schneller auszahlen als geplant und wohl noch ein paar Dutzend Milliarden hinterherschießen. Doch der IWF und seine Geldgeber werden ihren Preis verlangen: Die Südkoreaner müssen ihren Finanzmarkt öffnen. Das heißt im Klartext, daß einige Banken pleite gehen werden. Außerdem werden sich ausländische Investoren in Banken und Industrie einkaufen dürfen. Das dient der Liberalisierung des Welthandels, ein in den Augen des IWF hehres Ziel. Erwünschter Nebeneffekt: Koreanische Unternehmen sind beim derzeitigen Rekordtief des Won so billig zu haben wie noch nie. Die Investoren aus dem Westen und aus Japan machen also ein Schnäppchen.

Eine größere Krise der Weltwirtschaft wird von diversen Experten noch nicht erwartet – wenn Korea und der IWF sofort handeln. „Man hat aus früheren Krisen gelernt: In solchen Fällen muß genug Geld bereitgestellt werden“, meint Klaus-Jürgen Gern, Asien-Experte des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Die deutschen Banken hätten genug Rücklagen, um selbst einen Totalausfall ihrer Korea-Kredite wegzustecken. „Ein Problem könnte es höchstens bei den größten Gläubigern der Welt geben, den Japanern“, so Gern, „denn die haben schon große Probleme mit notleidenden Krediten in Japan.“

In Malaysia sitzen ab Montag die Staaten des südostasiatischen Bündnisses Asean zusammen. Sie plaudern erstmals untereinander, um ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren. Selbst die USA sind ausgeladen worden. Dafür sind Japan und die Volksrepublik China als Mitglieder dabei. Doch die Finanzkrise hat schon im Vorfeld die Stimmung verdorben. Und dann fiel auch noch ein alter Mitstreiter aus: Der alte Hase Suharto, 76 Jahre alter Chef des indonesischen Inselreichs, ist so krank, daß er zu Hause bleiben muß. Reiner Metzger

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