■ Luxemburger Gipfel endet mit einem Patt zwischen Paris und Bonn: Die Politik der ganz kleinen Schritte
Das Gerangel um den „Euro-X-Rat“ auf dem Luxemburger EU-Gipfel am Wochenende hat es noch mal gezeigt: Wenn 1999 der Euro eingeführt wird, werden außer Griechenland alle EU-Staaten dabeisein, die das wollen. Denn sonst hätten außer Großbritannien, Dänemark und Schweden, die 1999 nicht mitmachen wollen, noch andere Länder gegen die Einrichtung eines informellen „Euro-X“-Rates der Währungsunionsländer Einspruch erhoben – schon weil sie befürchten müßten, ansonsten von diesem Rat ausgeschlossen zu werden.
Weniger klar ist, was dieser Euro-X-Rat wird leisten können. Vage wird von „engerer Koordinierung“ gesprochen. Dabei war bis vor kurzem von der starken Gruppe neoliberal ausgerichteter Staaten im Rat – insbesondere Deutschland – noch jede Form eines Währungsrates abgelehnt worden. Zinsniveau und Wechselkurs sollten von der europäischen Zentralbank – in deutscher Tradition – unabhängig von politischer Feinsteuerung festgelegt werden. Diese Art von Geldpolitik ist es aber gerade, die Frankreich von Anfang an durch ein gemeinsames europäisches Geld ändern wollte.
Zwei konträre Auffassungen von Geld- und Wirtschaftspolitik stehen sich hier entgegen: Die deutsche Bundesbank hat aufgrund der Unabhängigkeit von fast jeder demokratischen Kontrolle in der Vergangenheit eine Geldpolitik betrieben, die sich einseitig am Ziel niedriger Inflation orientiert hat. Die konjunkturdämpfende Wirkung einer solchen Politik wurde viel zu oft in Kauf genommen. Frankreich hat die vermeintliche Antipreissteigerungspolitik der Bundesbank als „Diktat de la BuBa“ erlitten, denn die Hegemonie der D-Mark in Europa ließ der französischen Zentralbank kaum Spielraum für konjunkturfreundlichere Abweichungen bei Zinsniveau oder Wechselkurs.
Wenn nun durch einen „Euro-X-Rat“ erreicht werden sollte, daß die künftige Geldpolitik in der EU einem ausgewogeneren Ziele-Mix folgt, dann wäre ein Schritt in die richtige Richtung getan. Damit der „Euro-X“ diese Funktion aber wirklich erfüllen kann, muß noch einiges geschehen.
Der Kompromiß zwischen Deutschland und Frankreich als den bestimmenden Akteuren im Rat scheint von der gleichen Art wie beim Thema Beschäftigungspolitik zu sein, das im November auf dem Luxemburger Sondergipfel der EU behandelt wurde. Deutschland und die Neoliberalen können sich in zentralen Punkten durchsetzen – kein Geld für Beschäftigungsprogramme, kein offizieller Wirtschafts- und Währungsrat – aber Frankreich und andere Staaten, die sich für eine beschäftigungsfreundliche Wirtschaftspolitik einsetzen, können zumindest Zugeständnisse verbuchen, die einen ersten Einstieg in neue Politikansätze eröffnen. So wurde z. B. im November die Fortbildungs-Quote für arbeitslose Jugendliche zum europäischen Ziel erklärt. Zudem akzeptierte die Union die „Maastricht-Methode“ generell auch für das Feld der Beschäftigungspolitik. Mehr scheint angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse im Rat – mit Tony Blair auf der Seite Helmut Kohls – nicht durchsetzbar zu sein.
Es wäre aber deutlich mehr nötig, um bei den nötigen sozialen und wirtschaftspolitischen Korrekturen am Binnenmarkt voranzukommen. Während der Euro dem Binnenmarkt in marktliberaler Logik die Krone aufsetzt, tritt die soziale und ökologische Dimension der europäischen Einigung auf der Stelle. Nicht einmal bei der Steuerpolitik – einem auch für Marktradikale offensichtlich koordinierungsbedürftigen Feld – kann von Fortschritt gesprochen werden. Das von der europäischen Kommission vorgeschlagene Maßnahmenpaket zur Steuerkoordinierung wurde auf dem Gipfel am Wochenende nur in einer stark verwässerten Form nebenbei behandelt. Es ist ziemlich klar, daß die darin enthaltenen Ansätze bei politisch strittigen Bereichen – z. B. bei einer europäischen Energiebesteuerung – erst einmal in der Versenkung bleiben, in der sie vor Jahren verschwunden sind. Frieder Otto Wolf
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