■ Süd-Korea vor den Wahlen: Trotz Krise ist Hysterie nicht angebracht: Die demokratische Chance
In zwei Tagen wählen die Südkoreaner einen neuen Präsidenten. Doch der Urnengang droht zur Nebensache zu werden, seit Süd-Korea in einer Finanzkrise bislang ungekannten Ausmaßes steckt. Zu Jahresbeginn nahm das Land noch den neunten Rang unter den Mitgliedsstaaten der OECD ein, der nur die 29 reichsten Industrienationen angehören. Inzwischen ist Süd-Korea auf den 17. Rang zurückgefallen – allein in diesem Monat hat der koreanische Won mehr als 20 Prozent seines Wertes gegenüber Dollar und Mark eingebüßt.
Die Schreckensnachrichten von der Finanzfront dürfen jedoch eines nicht vergessen machen: Süd-Korea ist ein politisch stabiles Land, dessen Demokratie alle Möglichkeiten bereithält, der Krise schnell und effizient zu begegnen. Schon in der kommenden Woche könnte das Parlament in Seoul umfangreiche Finanzreformen verabschieden, die es noch vor einem Monat abgelehnt hatte. Die Demokratie macht solche Lernprozesse möglich.
Die eigentliche Zukunftsentscheidung für Süd-Korea fällt deshalb nicht an der Börse, sondern an der Urne. Das Land steht vor der Wahl, die Regierungspartei – wenn auch mit einem neuen Präsidenten an der Spitze – zu bestätigen oder der Opposition erstmals eine Chance zu geben. Klar ist, daß die Elite des Landes die Finanzkrise selbst verschuldet hat. Es waren der Klüngel und die Korruption zwischen Ministerien, Banken und Großkonzernen, die das Land in die Überschuldung trieben. Die einfachen Koreaner legten ihr Geld brav auf dem Sparkonto an.
Es wäre also zu wünschen, wenn jetzt die Partei der kleinen Leute unter dem viermaligen Präsidentschaftskanidaten Kim Dae Jung die Führung des Landes übernimmt. Kim, der sich als Sozialdemokrat versteht, scheint als einziger in der Lage zu sein, Banken und Großkonzerne zu disziplinieren und dem Bürger die ungewohnte Krisensituation zu erklären. Um die Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Süd-Korea zu Monatsbeginn vor der Zahlungsunfähigkeit rettete, wird freilich auch Kim Dae Jung nach seinem möglichen Wahlsieg nicht herumkommen.
Doch ein Austeritätsprogramm in Süd-Korea lohnt sich: Noch ist der Staat hier nicht hochverschuldet. Ist erst einmal die Kreditwürdigkeit der koreanischen Unternehmen wiederhergestellt, bliebe genug Gestaltungsraum für das, was die koreanische Linke eigentlich will: ein neues Sozialversicherungssystem. Georg Blume
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