: Der Tod des Azmi A.
■ Unfall oder Pflichtverletzung? Ein Zweijähriger starb in Wilhelmsburger Kita.
Die Schreckensvision jeder Erzieherin: Azmi A. starb in einem Wilhelmsburger Kindergarten. Unbemerkt war der Zweijährige auf die Rutsche geklettert und mit dem Band seiner Kapuze in einem Spalt hängengeblieben. Die Kordel wickelte sich um seinen Hals. Die Betreuerinnen versuchten ihn mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu retten, doch der Junge starb im Notarztwagen. „Für die Erzieherinnen ist es die Hölle – ob mit oder ohne Schuldfrage“, sagt Knut Fleckenstein, Landesgeschäftsführer des Arbeiter Samariter Bundes (ASB), der Träger der Einrichtung ist.
Der tragische Vorfall, der sich vorigen Dienstag ereignete, wird jetzt genau untersucht. Haben die Betreuerinnen das Kind draußen vergessen? fragen sich einige Eltern, die erst nach und nach von dem Unglück erfuhren. „Was ist das für eine Situation, in der mein Sohn auf der Rutsche liegt, und niemand sieht es?“klagt Azmis Vater. Kripo und Staatsanwaltschaft haben sich wegen eventueller Verletzung der Aufsichtspflicht eingeschaltet, die Landesunfallkasse untersucht das Spielgerät.
An dem betreffenden Morgen waren aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle nur drei Betreuerinnen mit den rund 20 Kindern acht verschiedener Nationalitäten im Garten. Beim Reingehen zum Mittagessen bemerkten die Erzieherinnen, daß eines fehlte. Wenig später entdeckten sie Azmi auf der Rutsche.
Viele Kinder aus der ASB-Einrichtung wissen noch nicht, was passiert ist. „Erst hieß es, er habe sich einen Nagel in den Fuß getreten“, sagt Ejder Acar, dessen zwei Söhne ebenfalls in den Kindergarten am Koppelstieg gehen. Wie viele andere Eltern haben die Acars ihre Kinder noch nicht wieder dorthin geschickt.
Heute abend treffen sich alle in der ASB-Einrichtung zu einer Gedenkstunde. Knut Fleckenstein hat den Betreuerinnen Hilfe und psychologische Unterstützung zugesagt, nachdem er sich zuerst um Azmis Eltern gekümmert hatte, die jetzt zur Beisetzung in die Türkei geflogen sind. „Wir werden die Sache nicht auf die drei Frauen abwälzen“, so der ASB-Geschäftsführer.
Lisa Schönemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen