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Radunski läßt mit sich reden

■ Keine Nachverhandlungen, aber bald Neuverhandlungen für die Zeit nach dem Jahr 2000. Land zahlt vielleicht doch für Bücher. Unis müssen in zehn Jahren ein Drittel des Etats einsparen

Nachverhandlungen über die bis zum Jahr 2000 geltenden Hochschulverträge lehnt Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) weiter ab. Doch ganz ohne Zugeständnisse verließ er gestern die um StudentInnenvertreter erweiterte Sondersitzung der Landeshochschulrektorenkonferenz nicht. Er sagte zu, mit den Neuverhandlungen für den Zeitraum von 2001 bis 2004 nicht erst im Herbst, sondern bereits am Ende des laufenden Semesters zu beginnen – also noch unter dem Eindruck der StudentInnenproteste. Zugleich ging Radunski auf die Forderung auf einen „Runden Tisch“ ein, der „Anforderungen und Probleme für das Reformjahr 1998“ formulieren soll. Darüber hinaus will Radunski im Januar und Februar „Reformseminare“ an den Unis anbieten.

Außerdem erklärte sich Radunski bereit, über den Landesanteil zu den Bundeshilfen für die Uni- Bibliotheken zu verhandeln. Damit ist der Senator von seinem Standpunkt abgerückt, über die in den Hochschulverträgen zugesicherten Summen hinaus bekämen die Hochschulen bis zum Jahr 2000 kein zusätzliches Geld vom Land. Insofern können die Präsidenten von Humboldt-Universität (HU) und Technischer Universität (TU), Meyer und Ewers, mit ihrem Plädoyer für Nachverhandlungen einen Erfolg verbuchen.

Daß der Senator das Paket der Hochschulverträge wieder aufschnüren würde, hatte ohnehin niemand erwartet. Die Verträge waren vor Jahresfrist abgeschlossen worden, um den Hochschulen für die Zeit von 1997 bis 2000 eine feste Finanzausstattung zuzusichern und Planungssicherheit zu gewährleisten – allerdings auf äußerst niedrigem Niveau: Während der Laufzeit sinkt der Landeszuschuß an alle Berliner Hochschulen von 2,36 auf 2,18 Milliarden Mark jährlich.

Zu Beginn des Sparkurses 1993 lag der Zuschuß noch bei rund drei Milliarden Mark. Als Radunskis Vorgänger Manfred Erhardt 1991 sein Amt in Berlin antrat, glaubte er noch, den Aufbau der Ostberliner Hochschullandschaft ohne krasse Einschnitte im Westen vollbringen zu können. „Es wäre für die Westberliner Einrichtungen zutiefst deprimierend“, so Erhardt damals, „wenn sie beschnitten werden müßten.“

Von diesem Kurs verabschiedete sich der Senator 1993 mit dem ersten Hochschulstrukturplan, der einen Abbau von Studienplätzen ins Auge faßte. Ihre Zahl sollte bis zum Jahr 2003 von 115.000 auf 100.000 sinken, der Senat wollte dadurch 130 Millionen Mark einsparen. An den Unis erhob sich wilder Protest, StudentInnen besetzten das Abgeordnetenhaus.

Wenig später wären die Hochschulen froh gewesen, wenn es bei diesem vergleichsweise moderaten Sparprogramm geblieben wäre. Zwar hatte der Senat den Hochschulstrukturplan mit dem Argument der Planungssicherheit schmackhaft zu machen versucht, doch in den folgenden Jahren belegte das Abgeordnetenhaus die Unis mit weiteren Sparraten von jeweils über 100 Millionen Mark.

Inzwischen summieren sich die Einsparungen, die für den Zeitraum von 1993 bis 2003 beschlossen sind, auf fast ein Milliarde Mark. Damit spart der Senat faktisch eine der drei großen Unis ein: Die FU schrumpft im nichtmedizinischen Bereich von 750 auf 400 Professorenstellen, die TU von 540 auf 380, die HU von 550 auf 450.

Weil die Unis ihr Geld zum größten Teil für Personal ausgeben, können sie aber gar nicht so schnell wie gefordert sparen, solange die Professoren beamtet und die Verwaltungsangestellten unkündbar sind. Kurzfristig verfügbar sind nur die befristeten Stellen von studentischen Hilfskräften und wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie die Bibliotheksmittel – Haushaltsposten also, die für die Lehre besonders wichtig sind.

Um den Personalüberhang finanzieren und den laufenden Lehrbetrieb sichern zu können, haben die Hochschulen mit den Verträgen auch das Recht erhalten, Grundstücke zu verkaufen – die FU etwa ihre Dahlemer Villen, die HU Filetgrundstücke in Mitte oder die TU Objekte in bester Citylage. Vom Erlös dürfen sie die Hälfte behalten, die andere Hälfte geht in einen Fonds, aus dem sie Kredite aufnehmen können. Mit dieser Finanzierungsmethode will HU-Präsident Meyer nun Schluß machen, wenn er vom Land die Ausfinanzierung des Personaletats verlangt.

Eine Berliner Spezialität ist auch, daß die emeritierten Professoren weiter aus den Uni-Etat und nicht aus dem allgemeinen Landeshaushalt bezahlt werden. Vor allem für die West-Unis mit ihrem überalterten Lehrkörper wird das von Jahr zu Jahr teurer, die FU wird nach Halbierung ihrer Stellenzahl wohl mehr Geld für ihre Emeriti bezahlen als für aktive Dozenten. Radunski hat jetzt immerhin zugesagt, daß diese Versorgungslasten bei den Verhandlungen im nächsten Jahr auf der Tagesordnung stehen. Ralph Bollmann

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