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Humboldt-Uni will Marx-Zitat murxen

■ Das denkmalgeschützte Foyer der Humboldt-Universität soll umgestaltet werden. Pläne reichen vom Abriß der marmornen DDR-Halle bis zur behutsamen Sanierung. Studentenprotest gegen Entfernung des Marx-Zit

Dem denkmalgeschützten Hauptfoyer der Humboldt-Universität (HU) an der Straße Unter den Linden droht eine grundlegende Umgestaltung, wenn nicht gar der Abriß. Pläne der Universitätsleitung sehen vor, die Innenverkleidung aus rotem und schwarzem Marmor sowie die Marxsche Feuerbach-These am Treppenaufgang zu entfernen. Das Hauptfoyer war nach Kriegszerstörungen in den 50er Jahren im Stil des Historismus renoviert worden und zählt zu den qualitätvollsten Innenraumausstattungen der DDR- Architektur jener Zeit. Die damals aufgestellte Karl-Marx-Büste war Anfang der 90er Jahre bereits entfernt worden.

Die geplante Umgestaltung der Eingangshalle, sagte Ewald Schwalgin, Baudirektor der Humboldt-Uni, habe die Universitätsleitung im Rahmen der Sanierung des Hauptgebäudes beschlossen. Hintergrund der Umbauaktion sei, den Raum von dem Wachschutzhäuschen, Kiosk, den Lampen und Stelltafeln „zu befreien“ und „Licht in das Foyer zu holen“, so Schwalgin. Das Ziel der Uni-Leitung wäre, „die Halle freundlicher zu gestalten“. Derzeit erinnere das Foyer mit seinen Marmorsäulen und Wandverkleidungen mehr an eine „spätstalinistische Metrostation“ als an einen repräsentativen Universitätseingang.

Mit der Sanierung, sagte Schwalgin, sei der Architekt Jürgen Sawade beauftragt worden. „Sawade hat mehrere Entwürfe vorgelegt, die unterschiedliche Varianten beinhalten.“ Die Spannweite reiche von einer Modernisierung unter Erhalt der Marmorverkleidung bis hin zur totalen Entkernung des Raumes, der auch die Feuerbach-These zum Opfer fallen würde. Zu DDR-Zeiten war an der Stirnwand in großen Lettern das – fehlerhafte – Marx-Zitat angebracht worden: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber (sic!) darauf an, sie zu verändern.“ Die vollständige Neugestaltung unter den Sawade-Plänen sieht vor, die Haupthalle ganz in weiß zu halten. Schwalgin selbst plädiert für eine behutsame Sanierung. Den Vorwurf, die Uni-Leitung wolle die DDR-Geschichte an dem Ort schleifen, wies er zurück.

Welcher Entwurf realisiert wird, sei „noch nicht entschieden“, betonte der Baudirektor. So müßten die Sawade-Pläne erst noch mit der Denkmalpflege abgestimmt werden. Diese habe allerdings signalisiert, daß auf die Marmorverkleidung verzichtet werden könnte. Außerdem sei noch unklar, wer die Kosten der rund 2 Millionen Mark teuren Modernisierung übernimmt.

Während die für die mögliche Aufhebung des Denkmalschutzes zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestern zu keiner Stellungnahme bereit war, kommt Kritik von Denkmalschützern und der Fachschaft Kunstgeschichte der HU. Norbert Heuler vom Landesamt für Denkmalpflege wandte sich gegen eine Umgestaltung. „Wir lehnen das fachlich ab“, erklärte Heuler. Auch die Studenten der Kunstgeschichte protestieren gegen den millionenschweren Umbau des Foyers. Der Widerstand richte sich gegen eine „schicke Neugestaltung“, während anderen notwendigen Baumaßnahmen die Mittel gekürzt würden, sagte Dorothea Klein, Mitglied der Fachschaft.

Es sei außerdem nicht hinnehmbar, daß für die architektonisch wertvolle Halle möglicherweise der Denkmalschutz von Senator Strieder aufgehoben würde, so Klein weiter. Dies würde bedeuten, daß einmal mehr ein „Akt der Geschichtsverdrängung“ stattfinde. Der Abriß des Wachschutzraumes, der mehr Licht in die Halle bringen würde, sei dagegen denkbar, erklärte die Fachschaftsfrau. Rolf Lautenschläger

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