: Sechs Monate Knast für Bordellbesuch
■ Wer in Schweden eine Prostituierte besucht, soll künftig belangt werden können. Die Annahme des Gesetzentwurfs gilt als sicher
Stockholm (taz) – In Schweden wird es ab 1999 strafbar, sich die sexuellen Dienste einer Prostituierten zu kaufen. Am Donnerstag legte die Regierung in Stockholm einen entsprechenden Entwurf vor. Demnach ist mit Freiheitsstrafen bis zu einem halben Jahr bedroht, „wer sich gegen materielle Gegenleistung eine zeitweilige sexuelle Verbindung schafft“. Dem Gesetz, dem jahrelange Diskussionen vorausgegangen waren, scheint eine parlamentarische Mehrheit sicher zu sein scheint.
Neben den SozialdemokratInnen unterstützen zumindest auch die Linkspartei, das Zentrum und ein Teil der Fraktion der Grünen die Initiative. Tritt das Gesetz in Kraft, wäre Schweden das erste Land der Welt, in dem die KundInnen von Prostituierten, nicht aber diese selbst kriminalisiert werden.
Als „großen Sieg“ bezeichnet Inger Segelström, die Vorsitzende des sozialdemokratischen Frauenverbands, das Gesetz. „Wir müssen endlich eine klare Wertung abgeben, daß man Menschen nicht für Geld kaufen kann.“ Es sei unglaubwürdig, gegen Frauendiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und im Alltag zu protestieren und nicht gleichzeitig gegen die Prostitution vorzugehen. Segelström: „Ich kann mir keine Firma mehr vorstellen, die es wagt, Prostituierte für ein Fest oder ausländische Geschäftspartner einzukaufen.“
Die Zweifel an der Effektivität des Gesetzes sind zahlreich. Justizministerin Laila Freivalds versuchte bis zuletzt den Entwurf zu stoppen, da sie das Gesetz nicht für praktikabel hält. Sie befürchtet sogar negative Konsquenzen: Die Prostitution würde in den Untergrund getrieben, organisierte Kuppelei und Zuhälterei würden wachsen. Dadurch werde es schwerer, den Frauen zu helfen.
Überdies halten es JuristInnen für schwierig, gerichtsverwertbare Beweise zu beschaffen, da es sich beim Kauf von Sex „um einen Vertrag zwischen zwei Menschen handelt, bei dem beide interessiert sind, daß er erfüllt und nicht kriminalisiert wird“, so die Richterin Christel Anderberg. Die Polizei ist gespalten: Einerseits betont man, keine Ressourcen zu haben, sich noch um derartige Straftaten zu kümmern. Andererseits wird begrüßt, daß gegen die wachsende Prostitution vorgegangen werde.
Interessenorganisationen von Prostituierten hatten sich zunächst gegen die Gesetzesinitiative ausgesprochen. Dies vor allem deshalb, da geplant gewesen war, auch die Prostituierten selbst bestrafen zu wollen. Dieser Passus wurde wieder gestrichen. Selbst im Rahmen von Mittäterschaft oder Beihilfe zur kriminellen Handlung ihrer Freier können die Prostituierten nicht belangt werden.
Darüber hinaus sieht das Gesetzgebungspaket umfassende finanzielle Hilfen für soziale Arbeit vor. Umgerechnet über zehn Millionen Mark werden eingesetzt, um Frauenhilfsorganisationen und die Sozialarbeit der Kommunen im Prostitutionsbereich zu unterstützen. Annika Pettersson von der Hurengruppe Malmö: „Wird mit dem Geld wirklich etwas Sinnvolles angestellt, sind viele der betroffenen Frauen gar nicht mehr so negativ eingestellt.“ Reinhard Wolff
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