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Ferien in der Geisterstadt

Die ägyptische Tourismusindustrie liegt danieder. Rund 370.000 Urlauber sagten ihre Weihnachtsferien ab. Hotelbetten und Flugzeuge bleiben leer  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

„Ich wünschte ich wäre in Ägypten“, lautete der Kernsatz eines weltweit ausgestrahlten Fernsehspots, mit dem Urlauber ins Land am Nil gelockt werden sollten. Vor dem Massaker von Luxor, bei dem vor rund einem Monat 58 Touristen ums Leben kamen, klang das noch recht ansprechend. Doch kommt manch potentiellem Ägyptenreisenden sein ehemaliger Wunsch mittlerweile töricht vor – und das hat katastrophale Auswirkungen auf die ägyptischen Tourismusindistrie, die im vergangenen Jahr mit drei Milliarden Dollar zu den wichtigsten Devisenquellen des Staates zählte. Jeder sechste Arbeitsplatz hängt in Ägypten vom Tourismus ab.

Nun jedoch geht die Hotelbelegungsrate in Luxor „praktisch gegen Null. Sie ist nicht der Rede wert“, sagt Maher Ahmad von der ägyptischen Hotelvereinigung. Nach Auskunft von Muhammed Rayan, dem Chef der internationalen Fluglinie Egypt Air, sind Flüge nach Luxor um 74 Prozent zurückgeschraubt worden. Luxor ist zur Geisterstadt verkommen, und landesweit sieht es nicht viel besser aus: Sprach der Tourismusminister Mamdouh Al-Beltagi Anfang des Monats noch von einer Hotelbelegungsrate von 17 Prozent, so schätzt er sie mittlerweile nicht mehr höher als 10 Prozent. „Bisher“, erklärt Al-Beltagi, „wurden eine Viertel Million Übernachtungen storniert.“ Die verpaßten Neubuchungen lassen sich nur erahnen. In einem Bericht schätzen die großen ägyptischen Reiseunternehmen, daß ihnen 370.000 für Weihnachten und Neujahr erwartete Besucher entgehen werden – vermutlich ein Verlust von einer Milliarde Mark. Im Januar steht zudem der traditionell urlauberarme Fastenmonat Ramadan bevor.

Um zu retten, was zu retten ist, stürzt sich die Regierung in Verzweiflungsmaßnahmen. Ägyptens Ministerpräsident Kamal Al-Ganzuri erließ ein Dekret, laut dem interne Flüge um die Hälfte verbilligt werden. Außerdem sollen ägyptische Banken Touristikprojekten eine dreimonatige Verschnaufpause gewähren, bevor sie bei ihnen Schulden eintreiben. Die Banken finanzieren rund die Hälfte aller neuen Projekte in der Reisebranche mit Krediten von schätzungsweise 20 Milliarden Mark.

Im Touristiksektor sollen vorerst keine Angestellten entlassen werden, verfügte der Ministerpräsident weiter. Oppositionszeitungen hatten nach dem Anschlag vermutet, daß bis zu 70 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich ihre Jobs verlieren könnten. In der Hurgada, einer Küstenstadt am Roten Meer, befürchten Polizisten ein Ansteigen der Kriminalität, nachdem Hunderte von Hotelangestellte entlassen wurden. Die meisten weigerten sich, in ihre Dörfer zurückzufahren. Sie hängen in den örtlichen Cafés oder auf der Straße ab, in der Hoffnung, neue Verdienstmöglichkeiten zu finden.

Verordnungen von oben werden eben schnell von der Realität eingeholt. Als eine „nicht bindende Verfügung“ beschrieb ein Unternehmer kurzerhand den Erlaß des Ministers: „Wie soll ich bitte ein Bungalow-dorf am Meer mit 300 Angestellten und 50.000 Mark monatlichen Lohnkosten ohne einen einzigen Touristen betreiben?“ rechtfertigt er sich. Einige Banken ziehen sich schlichtweg darauf zurück, nicht offiziell verständigt worden zu sein.

Ob die ebenfalls verordneten Niedrigpreise für interne Flüge, Flug- und Seehafengebühren die Touristen zurückbringen, bleibt ebenfalls fraglich. Schon angesichts anderer Anschläge, habe derartiges kaum etwas gebracht, argumentieren Hotelmanager. Die einzige sinnvolle Strategie, bestätigen Experten, ist mehr Sicherheit. Für Magdi El-Hennawi von der Tourismuskammer ist die Rechnung einfach: „Es werden keine Touristen kommen, solange sie sich nicht sicher fühlen.“

Auf in- und ausländische Investitionen wird sich die Misere nicht auswirken, verkündet aufmunternd der für den öffentlichen Sektor zuständigen Minister, Atef Obeid. Was soll er auch anderes sagen – beginnt doch gerade jetzt eine weitere Privatisierungsphase für staatliche Hotels und Touristikunternehmen. Fast 60 Betriebe stehen zum Verkauf. „Das Attentat von Luxor wird bei Investitionen im Tourismus eine zu vernachlässigende Größe sein“, macht Muhammed Bakier, einer der zuständigen Manager im Privatisierungsprogramm, den potentiellen Käufern Mut.

Bis die staatlichen Unternehmen die zu vernachlässigende Größe erreichen, müssen sie jedoch die katastrophale kommende Saison überstehen. Misr Travel, das größte staatliche Reiseunternehmen, hat dafür ein eigenes Rezept gefunden: Statt Reisen nach Ägypten bietet das Unternehmen in Europa derzeit Strandurlaube in Tunesien oder Einkaufsfahrten in die Arabischen Emirate an.

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