: Rot-Grün am Grubenrand
■ Nordrhein-Westfalens Koalition vor dem Bruch: Grüne werfen SPD-Wirtschaftsminister Clement vor, den Garzweiler-Kompromiß zu torpedieren
Düsseldorf (taz) – Die Düsseldorfer Koalitionskrise hat sich gestern dramatisch zugespitzt. Am Sonntag abend waren die Gespräche zwischen den rot-grünen Koalitionspartnern über den Braunkohle- Tagebau Garzweiler II gescheitert. Die Verantwortung dafür liegt nach Auffassung des grünen Verhandlungsduos beim sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Der habe während der Verhandlungen „vor etwa zwei Wochen einen Kurswechsel mit dem Ziel vollzogen, die Zuständigkeit der Umweltministerin Bärbel Höhn zu beschneiden“, sagte der grüne Parteisprecher Reiner Priggen gestern vor der Presse.
Auch Höhn warf Clement vor, den schon „weit vorangeschrittenen Weg zu einem Konsens“ verlassen und auf „eigene Rechnung gearbeitet“ zu haben. Auf der Beamtenebene sei der Kompromiß zwischen beiden Parteien zuvor „fast fertig gewesen“. Selbst innerhalb der SPD herrsche über diesen Kurs des Wirtschaftsministers inzwischen wieder „große Ratlosigkeit“. Für die Wende Clements machte Höhn auch die ungeklärte Nachfolgeregelung für Ministerpräsident Johannes Rau verantwortlich. In der SPD stehe offenbar ein großer „Klärungs- und Bereinigungsprozeß“ bevor, dem auch das Thema Garzweiler untergeordnet werde.
Gestern wollte Clement den nächsten Genehmigungsschritt vollziehen und den Rahmenbetriebsplan für den Tagebau im rheinischen Braunkohlegebiet bei Mönchengladbach zulassen. Die Frage, ob damit das Ende der Koalition besiegelt wäre, ließen Höhn und Priggen bei der gestrigen Pressekonferenz jedoch offen. Man müsse zunächst den endgültigen Genehmigungstext „sehr genau prüfen“.
Den Entwurf für den Rahmenbetriebsplan, der in der vergangenen Woche dem Betreiberunternehmen Rheinbraun zugegangen war, hatte Höhn schon als „unakzeptabel“ zurückgewiesen. Sie sah dadurch die „Souveränität“ der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden wasserrechtlichen Genehmigung tangiert. Eine ergebnisoffene Überprüfung der Wasserproblematik werde durch Clements Kurs verhindert. Der Wirtschaftsminister wolle Rheinbraun „den Schlüssel in die Hand geben“ und „endgültige Fakten schaffen“, sagte Höhn. Clement selbst schwieg sich zu den Vorwürfen aus.
In der Sache geht es vor allem um die Gefährdung des im Abbaubereich liegenden Naturparks Maas-Schwalm-Nette sowie um die mögliche Grundwassergefährdung durch das Auswaschen der Abraummengen, die während des Bergbaubetriebes anfallen. Wenn es hier bei dem bisher praktizierten Verfahren, die Gefahrenstoffe mit Kalk zu binden, bleibe, droht nach den Worten Höhns die „Vergiftung des Grundwassers mit Schwefelsäure“.
Ihre Gegenvorschläge lehnt nicht nur Rheinbraun rundweg ab. Wenn die Umweltministerin damit durchkomme, so hieß es gestern in SPD-Kreisen, sei der Braunkohle-Tagebau „erledigt“. Diese „finale Entscheidungsmöglichkeit“ werde man der grünen Umweltministerin auf keinen Fall zubilligen. Bis zum Redaktionsschluß sah es nicht nach einer Nachbesserung im Sinne Höhns aus.
Die Entscheidung über die Koalition fällt auf seiten der Bündnisgrünen bei einem Sonderparteitag Mitte Januar nächsten Jahres. Auf ihrem letzten Parteitag hatten die Grünen beschlossen, daß bei einer sachfremden, politischen Genehmigung des Rahmenbetriebsplans die Koalition zu Ende sei. Diese Formulierung bietet immer noch einen minimalen Ausweg aus der rot-grünen Sackgasse.
Die Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, wertet ein mögliches Scheitern der rot- grünen Koalition in Düsseldorf gestern als „verheerendes Signal für die Bundestagswahl“. Es gebe jedoch mit den Grünen keine Koalition um jeden Preis. Müller gab SPD-Minister Clement die Schuld für die Regierungskrise: Sein Kurswechsel in Sachen Garzweiler sei „völlig unverständlich“.
Für den Abend stand auf Einladung von Ministerpräsident Johannes Rau noch ein „Ministergespräch“ des Kabinetts in der Düsseldorfer Staatskanzlei auf dem Programm. Vermutlich die letzte Chance für Rot-Grün. Walter Jakobs
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