: Ein großes Wunder geschah
■ Bremens jüdische Gemeinde feiert ihr Chanukkah Fest. Mit Kindern in einem historischen Weihespiel, Kartoffelpuffern und viel Spaß
„Mama, kannst du mir nicht noch ein bißchen mehr über Chanukkah erzählen?“David räkelt sich in seinem schmalen Bett auf der Bühne des jüdischen Gemeindezentrums – „Mama, man kann doch unmöglich schon schlafen gehen“an diesem gelobten Chanuckah-Tag. Ach Kind! „Du hast dein Chanukkahgeld bekommen und Lattkes gegessen, und du hast mit deinem Trendel gespielt. Es ist wirklich schon spät.“Und David schläft ein. Und träumt.
Auf den fünf Quadratmetern Podest in der Schwachhauser Heerstraße spielte sich gestern abend vor 200 Gästen ein historisches Weihespiel ab. Das jüdische Chanukkahfest hat begonnen. Alljährlich am 25. Tag des Monats „Kislew“(nach dem jüdischen Mondkalender) beginnt das Lichterfest des jüdischen Volkes – nicht immer, so wie in diesem Jahr, zeitgleich mit dem christlichen Weihnachtsfest.
So werden die 60 jüdischen Kinder aus Rußland hier in Bremen heute noch weiterfeiern: Mit Spielen, Geschenken und feierlichen Ritualen – und mit den Fragmenten einer Erzählung aus uralten Zeiten im Ohr. Die haben sie gestern gespielt.
Noch sieben mal wird Elvira Noa von der jüdischen Gemeinde täglich eine Kerze mehr am neunarmigen Leuchter anzünden – acht Tage, acht Kerzen – die neunte Kerze ist der Schammes, der Diener ihres Tuns. Die Kerzen werden langsam herunterbrennen, heute, morgen, bis zum 30. Dezember, während man die Kartoffelpuffer ißt, die Lattkes, und den Trendel mit den vier hebräischen Buchstaben kreiseln läßt: „Nun“– „gimmel“- „hei“– „pei“, die vier Anfangsbuchstaben für „Ein – großes - Wunder – geschah“.
Am Montag war die Generalprobe für das Weihespiel, das zu Chanukkah aufgeführt wird. Zu Ehren der Vorfahren, die einst vor 2166 Jahren den griechischen Göttervater Zeus aus dem Tempel in Jerusalem warfen und unter Führung des Jehuda Makkabi Jerusalem von den hellenistischen Besatzern aus Syrien befreiten. Ein großes Wunder geschah. So erzählen es die Apokryphen. Oder Klappermanns Schulbuch „Jüdische Geschichte“.
Aber soweit ist es noch nicht an diesem Montag mittag um halb zwei. Just hechtet der siebenjährige Gari über den Stuhl: „Ich bin ein jüdischer Soldat“. „Ein Makkabäer bist du, Durak (Dummkopf)“, korrigiert ihn Sascha, während ihm der kleine Ilja wortlos und sachgerecht mit seinem silbernen Pappschwert den Schädel spaltet. Marina Tradkina, die ehrenamtliche Jugendleiterin läßt ihnen Zeit sich auszutoben. Sie selbst hat den Ursprungsmythos der Makkabäer zum kindlichen Weihespiel umgeschrieben, zu einem Musical aus der Geschichte des jüdischen Volkes. Bißchen viel sowjetische Dramaturgie sei da noch reingeraten, kichert sie. Als zehn Minuten später vier junge Tänzerinnen auf der Bühne stehen und hinter dem Vorhang die anderen Kinder gespannt auf den eigenen Einsatz warten, ist die Konzentration plötzlich da. Und der Text auch.
Vier Mädchen tanzen und Marina, die kleinste auf der Bühne, will nicht aufhören zu lächeln. Ein großes pathetisches Stück in sechs Akten: Von dem Seleukiden Antiochos IV. Epiphanes (kongenial verkörpert durch Oleg, 14), der den Juden in Jerusalem das Lesen in der Tora verbot und sie zwang, Zeus anzubeten und Schweinefleisch zu essen. Von Channa und ihren fünf Kindern, die als Märtyrer „al Kiddusch ha-Schem“(für die Ehre des Namens Gottes) starben. Und von dem großen vaterländischen Befreiungskrieg: Da stürmen die Kleinsten, Dana, Kosta, Harry und Margerita auf die Bühne, bewaffnet mit glänzenden Waffen und tanzen die Vertreibung der Besatzer. ritz
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