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Frohes Weihnachtsfest, verehrter Kollege!

■ Was uns Weihnachtspräsente in der harten Geschäftswelt heutzutage so alles sagen wollen

Geschenke bringen Ränke. Zwar besteht die Kunst des Schenkens dem Vernehmen nach darin, einem anderen Menschen etwas zu verehren, was dieser sich nicht kaufen kann – aber gilt das auch für Geschenke, die sich ein anderer sowieso nie kaufen würde?

Wer würde schon seine sauer verdienten Groschen für Vierfarbkugelschreiber mit hakeligem Umschaltmechanismus herreichen? Für labbrige Kunstlederkalender, sperrige Schlüsselanhänger oder stockfleckige Herrentaschentücher mit Initial und Schmuckborte?

Geschenke, die keiner haben will, heißen Präsente. Sie werden dort verschenkt, wo Freundschaft nurmehr ein Handel mit Beziehungen ist und sich in Provisionsprozenten messen läßt. Ihre Präsentatoren sind notorisch praktische Menschen, sogenannte Geschäftsfreunde; Leute, die es gern sehen, wenn andere in ihrer Schuld stehen.

Denn im Geschenk spiegeln sich Machtpositionen wider. Wer schenkt, erniedrigt den Beschenkten, und durch die bloße Auswahl macht der Geber unmißverständlich klar, was er vom Nehmer hält: ein überreichter Kugelschreiber steht für mangelnde Unterschriftsbereitschaft des Bedachten, ein Flachmann mit Rasierwasser kritisiert den verwahrlosten Gesamtzustand des Empfängers, eine Krawatte symbolisiert sinnfällig den Strick, den sich der Partner schleunigst um den Hals legen sollte.

Für was aber steht das Geschäftsmitbringsel Nummer eins, die unvermeidliche Flasche Wein? Was sagt sie aus? Daß der Empfänger monetär ruhig „flüssiger“ sein könnte? Daß man seinen verheerenden Hang zum Alkoholismus sehr wohl bemerkt hat?

Diese semiotische Lücke füllt nun endlich das Hamburger Spirituosenversandhaus „Hawesko“. Sein „Präsent Service“ offeriert „Exquisite Präsent-Ideen für Geschäftsfreunde, Kunden, Mitarbeiter“. Durch „edle Accessoires“ wird die edle Pulle zur universalen Botschaft für Handel und Wandel.

Was schenkt der Chef seinem unsportlichen Dispatcher? Natürlich das „Geschenk-Set Boule & Vin“ – eine Holzkiste mit sechs Stahlkugeln, Schweinchen, Maßband samt der Rotweinflasche!

Was schenkt er dem, der eigentlich längst kündigen sollte? „Ein originalgetreues Miniatur-Modell des neuesten Ferrari – die Seele des Formel 1 Zirkus – zusammen mit dem großartigen italienischen Ferrari-Sekt, der auf den italienischen Staatsempfängen serviert wird.“ Man beginnt zu ahnen, warum die italienische Staatsregierung ständig wechselt.

Was aber bekommt der schwule Bürobote? Selbstredend die „wunderschöne Präsentpackung ,California Dreaming‘ mit erstklassigem Napa-Valley-Wein und einer handgefertigten, hölzernen Cable Car mit eingebauter Spieluhr, die die Melodie ,I left my heart in San Francisco‘ spielt.“ Ein „attraktives Präsent“ nicht nur „für begeisterte Kalifornien-Schwärmer“. Sondern vor allem für Leute, mit denen man nichts mehr zu tun haben will.

Es sei denn, man haßt sie so sehr, daß man ihnen das gnadenlose Hawesko-Hammerpräsent „Deusche Weihnacht“ auf Aug' und Ohren drückt: ein schwarzrotgoldverzierter Karton mit einer Flasche Riesling nebst Weihnachtslieder-CD, „hier gesungen von Hermann Prey und dem Tölzer Knabenchor. Damit können Sie anderen Menschen viel weihnachtliches Vergnügen bereiten“.

Damit Prost und frohes Fest, Kollege! Oliver Schmitt

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