: Betr.: Der Fotograf Andreas Herzau in Ruanda
Schockierende Bilder aus Ruanda gehen im April 1994 rund um die Welt. Nachdem Präsident Juvenal Habyarimana bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist, mündet die instabile politische Lage in eine Katastrophe. Es kommt zu beispiellosen Gewaltexzessen. Innerhalb weniger Wochen finden vorsichtigen Schätzungen zufolge mindestens eine halbe Million Menschen gewaltsam den Tod, größtenteils Angehörige des des Tutsi-Volkes, die vom rivalisierenden Clan der Hutu niedergemetzelt werden. Kurz darauf fliehen Hunderttausende ruandische Hutu aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.
„Wir haben lange diskutiert, ob einer von uns dorthin fahren sollte“, erzählt der Fotograf Andreas Herzau, „damals aber keine Möglichkeit gesehen, andere Bilder zu machen als die, die ohnehin schon in den Medien abgedruckt waren.“ So flog Herzau – von der Deutschen Welthungerhilfe finanziell unterstützt – erst über ein Jahr nach der Befreiung der ruandischen Hauptstadt Kigali durch Tutsi- Armeen nach Afrika. Zunächst suchte er die Flüchtlingslager in Tansania und Zaire auf, dann wollte er nach Ruanda. „Ich war neugierig, ob nach den Massakern auch jemand festgenommen wurde.“ Er hörte von einem Gefängnis in Kigali, dessen Insassen angeblich überwiegend wegen Völkermordes angeklagt waren. Tagelang bemühte sich Herzau um Erlaubnis, dort zu fotografieren, schließlich war es soweit: „Der Wärter schloß das Tor hinter mir zu, und dann war ich mit den Gefangenen allein. Da war mir schon etwas mulmig zumute.“ Das Gefängnis, eine Hinterlassenschaft der belgischen Kolonialmacht, die Ruanda 1962 in die Unabhängigkeit entließ, entpuppte sich als hoffnungslos überfüllt. Auf engstem Raum waren etwa 10.000 Menschen zusammengepfercht. Besonders schwierig, so der Fotograf, sei es gewesen, die Masse der Insassen darzustellen, die erdrückenden räumlichen Verhältnisse mit einem Bild nachvollziehbar werden zu lassen. „So was hatte ich noch nie gesehen. Da stand ich und wußte nicht, was ich machen soll. Ich habe mit den Leuten geredet, glaube aber nicht, daß ich ihre Geschichten erfahren haben.“ Vier Tage fotografierte Herzau in dem Gefängnis – und kam zu der Erkenntnis, daß es nicht zuletzt die vermeintlichen Täter vor Übergriffen schützt. Würden sie fliehen, ist Herzau überzeugt, wären sie wohl umgebracht worden: „Das soziale Klima in Ruanda ist total vergiftet.“
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