: Gegen die Vogel-Grippe ist kein Impfstoff in Sicht
■ Experten versuchen herauszufinden, ob das Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist
Berlin (taz) – Vier Menschen sind bisher in Hongkong an der Vogel-Grippe gestorben. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, daß in den nächsten Wochen noch weitere Infektionsfälle auftreten werden. Dies sei aber auf eine „bessere Kontrolle und Erfassung“ zurückzuführen. Von einer Epidemie könne nach Ansicht der WHO aber nicht gesprochen werden. Es bestehe kein Grund zur Panik.
Bisher gingen die Virologen von einer direkten Übertragung des Erregers durch Hühner oder Hühnerkot aus. Auf zwei Märkten würden die Hongkonger Gesundheitsbehörden inzwischen fündig: Bei mehreren Hühnern konnten sie das H5N1-Virus nachweisen.
Mit Hilfe von Befragungen und Blutuntersuchungen aller Menschen, die mit den Infizierten in Kontakt gekommen sind, versuchen die lokalen Gesundheitsbehörden in Zusammenarbeit mit einem von der WHO entsandten internationalen Wissenschaftlerteam dem Übertragungsweg auf die Spur kommen.
Die weit über 4.000 Blutproben werden zur Zeit an dem renommierten Institut der US-Seuchenbehörde, Centers of Disease Control (CDC), in Atlanta, Georgia, untersucht. Am Samstag waren bei mehreren Kontaktpersonen eines Grippeopfers Antikörper gegen das Virus festgestellt worden. Das bedeute aber noch nicht, daß damit eine Mensch-zu-Mensch-Übertragbarkeit nachgewiesen sei, hieß es.
Der Influenza-Typ H5N1 ist auch in Europa schon länger bekannt. So gibt es derzeit in italienischen Geflügelbeständen Probleme mit dem Virus. Nach Angaben des Virologen Jochen Süss vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) in Berlin ist das Virus ebenfalls in Wildenten in Deutschland schon entdeckt worden, doch sei deren Form nicht krankheitserregend. „Normalerweise ist H5N1 auch für Tiere nicht gefährlich“, erklärt die Grippeexpertin Brunhilde Schweiger vom Berliner Robert-Koch-Institut (RKI). „Es kann aber zu Mutationen bei dem Virus kommen, so daß die Tiere dann an einer Infektion sterben können.“
Zum ersten Mal entdeckt wurde das Virus schon 1961 in südafrikanischen Seeschwalben. Bis vor wenigen Monaten ging man davon aus, daß eine Übertragung auf Menschen nicht möglich sei. Erst der Tod eines kleinen Jungen aus Hongkong im Mai dieses Jahres schreckte die Grippeexperten bei der WHO auf. Bei ihm ließ sich erstmals bei einem Menschen der Virustyp H5N1 nachweisen. Kurz zuvor grassierte auf mehreren Geflügelfarmen in den New Territories die Hühnergrippe. Über 4.500 Hühner starben.
Wie es dazu kam, daß das Hühner-Virus für Menschen infektiös wurde, ist bisher nicht bekannt. Die meisten bei Menschen Grippe auslösenden Viren kommen von Schweinen. H5N1 ist das erste bekannte Grippevirus, das von Vögeln auf Menschen übergreift. Sollten die Befürchtungen sich bestätigen, daß auch eine Mensch-zu- Mensch-Übertragung möglich ist, könnte eine neue Epidemie um die Welt gehen, warnte der US-Experte Robert Webster, der dem Grippeteam der WHO angehört.
In dem Hochsicherheitslabor von CDC in Atlanta wird derzeit fieberhaft an der Entwicklung eines Impfstoffes gearbeitet. Bis ausreichende Mengen zur Verfügung stehen, wird es „mehrere Monate dauern“, gab das RKI bekannt. Wolfgang Löhr
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