: Neue Arche Noah strandet an der EU-Außengrenze
■ In Italien strandet das völlig überfüllte Flüchtlingsschiff „Ararat“ mit 825 Menschen an Bord. Die türkischen Kurden wollten nach Deutschland, nun sollen sie nach dem Willen der Regierung in Rom möglichst rasch in ihre Heimat abgeschoben werden
Soverato (taz) – Angekündigt war die „Fracht“ bereits seit Tagen, zuerst durch Geheimdienstberichte, dann durch Hinweise der türkischen und griechischen Marine: Am Samstag erreichte ein Schiff mit 825 Flüchtlingen, fast alle türkische Kurden, den Golf von Squillace in Unteritalien und lief rund zweihundert Meter vor der Küste auf Grund. „Wie die Ölsardinen“, berichten Küstenwächter, seien die Menschen auf dem Frachter zusammengepfercht gewesen, der sinnigerweise den Namen jenes Berges führt, auf dem einst die Arche Noah nach der Sintflut aufgesetzt hatte: Ararat.
Eine ganze Woche hatten die Flüchtlinge bei mitunter stürmischer See teilweise auf Deck ausharren müssen. Als Nahrung gab es nur etwas Käse und Wasser. Einige Kinder konnten kaum mehr gehen; zwei schwangere Frauen mußten in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses von Soverato in der kalabresischen Provinz Catanzaro. Erst am Abend waren die italienischen Behörden bereit, alle Passagiere des Schiffs von Bord zu lassen und in eilig als Schlafsäle hergerichteten Turnhallen unterzubringen. Vom Kapitän und der Mannschaft fehlte jede Spur.
Zwischen 1.000 und 2.000 US-Dollar hätten sie pro Kopf an die Menschenschmuggler bezahlen müssen, berichten die kurdischen Flüchtlinge. Italienische Behörden gehen davon aus, daß die Aktion eine der bereits zahlreichen Kollaborationen zwischen türkischen Banden und italienischen Mafiaclans ist. Allerdings war in dieser Hinsicht bisher nur die apulische Sacra Corona Unita in Erscheinung getreten, die ihre Wirkungsstätte am „Stiefelabsatz“ Italiens hat. Der italienische Innenminister Giorgio Napolitano hat nun als Reaktion eine massive Verstärkung der Polizeikräfte und des Grenzschutzes auch in diesem Teil Unteritaliens angekündigt. Von der Türkei verlangte er, gegen die Schleuser illegaler Einwanderer vorzugehen. Die „Ararat“ war das siebte Schiff, das in diesem Jahr mit Flüchtlingen an Bord Italien erreichte.
Die Flüchtlinge sollen, so die Absicht der Regierung, bereits in wenigen Tagen möglichst alle wieder zurückgeschickt werden, auch wenn die meisten von ihnen Deutschland als Immigrationsziel angeben. Das Schengener Abkommen, dem Italien Anfang November beigetreten ist, verpflichtet das jeweils erste Einreiseland, für die Ablehnung und Ausweisung aus der EU zu sorgen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für ein Recht auf Asyl vorliegen. Die von Kurden bisher geltend gemachte Verfolgung ihrer Minderheit in allen ihren Heimatstaaten wurde nur in Einzelfällen als Asylgrund anerkannt.
Ein Amtsrichter des zuständigen Provinzgerichts räumte gegenüber der taz allerdings ein, zwischen der Ankunft der ersten großen Kurdenkontingente vor zwei Monaten und heute habe sich „die Lage in deren Heimat möglicherweise so dramatisch verschlechtert, daß wir die Asylanträge unter einem ganz neuen Licht prüfen müssen“. „Wir verstehen gut“, so der Amtsrichter weiter, „daß die italienische Regierung derzeit unter Druck besonders aus Deutschland steht, gerade die Kurden schnell wieder abzuschieben. Wir werden uns davon aber nicht beeinflussen lassen, wenn das Recht auf seiten der Flüchtlinge steht.“ Werner Raith
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