■ Die Bundesrepublik sieht kurdische Flüchtlinge als Problem Italiens
: Suche nach Zuständigkeit

Die wiederholte Landung überfüllter Flüchtlingsschiffe mit KurdInnen könnte schon bald Dimensionen wie der letztjährige Exodus aus Albanien annehmen. Deshalb ist die Sorge Italiens aber auch Deutschlands, wohin die Flüchtlinge alsbald ziehen werden, ernst zu nehmen. Dennoch machen es sich die EU-Mitgliedsländer etwas zu leicht, wenn sie den Schwarzen Peter reihum weiterreichen.

Als Zehntausende Albaner über die Adria setzten, suchten die Italiener die Krise zu einer europäischen Angelegenheit zu machen. Der Rest der EU befand aber, daß das Problem, schon wegen des Überfalls von Mussolinis Truppen im Jahr 1939, nur die Italiener anginge. Nach langem Zögern schickte die UNO eine Sicherungstruppe nach Albanien, bei der die Italiener finanziell und personell die Hauptlast trugen.

Auch diesmal will Resteuropa, allen voran die Bundesrepublik, das Problem zu einem italienischen machen. Die Landung der Kurden, so Bundesinnenminister Kanther, müsse von Italien verhindert werden. Und der außenpolitische Sprecher der SPD, Carsten Voigt fordert: prüfen und abschieben, wenn sie kein politisches Asylrecht geltend machen können. Bei allem Verständnis für die Flüchtlinge müsse das Schengener Abkommen eingehalten werden.

Deutschland sollte etwas leiser treten. Zu Recht hat Italiens Ministerpräsident Romano Prodi mehrere Male daran erinnert, daß Zehntausende Polen via Deutschland, von den deutschen Behörden nahezu unbehelligt, nach Italien kamen und dort illegal leben. Carsten Voigts SPD unterhält eine respektable Toskana-Fraktion. Vielleicht sollte er der mal empfehlen, die Landkarte Italiens genauer anzugucken. Deutschland hat gerade mal ein paar hundert Kilometer EU-Außengrenze zu bewachen; Italien dagegen, neben der kroatischen und der slowenischen Grenze, mehr als 5.000 Kilometer Mittelmeerstrand. Und diese Küste mit ihren Tourismusregionen ist auch noch einer der Hauptwirtschaftsfaktoren des Landes. Unmöglich, hier alle paar hundert Meter Bewegungsmelder aufzustellen und Tausende Grenzschutzboote patrouillieren zu lassen.

Hinzu kommt, daß die Zahl kurdischer Flüchtlinge auch deshalb steigt, so berichten es zumindest die Neuankömmlinge, weil die türkische Regierung nach dem Verweis aus dem Kreis der EU-Aspiranten den Flüchtlingsstrom anheizt, um Druck speziell auf Deutschland auszuüben. Deutschland täte gut daran, sich in der Kurdenfrage nicht hinter den Italienern zu verstecken. Werner Raith