: Ab 1998 wird Hanfanbau im Keim erstickt
Ein Verbot des Handels mit Samen steht unmittelbar bevor. Hanfstandort Deutschland unter Druck: Das geänderte Betäubungsmittelgesetz bedeutet das Ende für 500 Geschäfte, warnt Händler ■ Aus Frankfurt/Main K.-P. Klingelschmitt
Alle Proteste waren vergeblich. Kurz vor Weihnachten votierte der Bundesrat einstimmig für das von der CDU eingebrachte Änderungspaket zum Betäubungsmittelgesetz. Mit der Veröffentlichung des Gesetzestextes im Bundesanzeiger Anfang 1998 ist dann der Handel mit Hanfsamen verboten, wenn der Samen „in zählbarer Körnermenge“ abgegeben wird und zum unerlaubten Anbau verleitet.
Noch ist nicht bekannt, zu welchem Datum das Verbot wirksam wird. Die Gesetzesänderung bedeute das Aus für den Handel der rund 500 „Grow- und Headshops“ in Deutschland und gefährde Hunderte von legalen Arbeitsplätzen, echauffierte sich die Hanf Haus GmbH in Berlin. Die Gesellschaft prophezeite die Entstehung eines illegalen Marktes für Hanfsamen, denn die Nachfrage nach Samen werde stabil bleiben: „Deutschland schafft mit dieser Gesetzesverschärfung nicht nur neue Schwarzmärkte und verschafft der Mafia Profite. Im Gegenzug wird es auch zu einer Unterversorgung vieler Schwerkranker mit preiswerter und hochwirksamer Medizin kommen.“ In Apotheken sei der Hanfwirkstoff THC nämlich nur in synthetischer Form als Importware „zu horrenden Preisen“ zu bekommen.
Die Schmerzpatienten hatten bislang ihr THC-reiches Medizinalhanf im Garten oder auf dem Balkon angebaut. Die zum Eigenanbau notwendigen Samenkörner lieferten die bundesweit etablierten Hanfhäuser und -shops. Noch sei das neue Gesetz nicht in Kraft getreten, teilte das Hanf Haus in Berlin mit. „Bestellungen sind auch über das Internet möglich.“
„Vier Millionen Kiffer gehen 1998 wählen“, hatte die lokale Hanf-Initiative Grüne Hilfe Lüneburg kurz vor den Beratungen im Bundesrat gewarnt und zu Protestbriefen an die 16 Landesregierungen in Deutschland aufgerufen. Die zentrale Forderung des Zusammenschlusses Lüneburger Bürger: „Für eine Legalisierung von Cannabis – gegen einen neuen Schwarzmarkt“. Den Gesetzentwurf konnten die Proteste nicht stoppen. Einen Erfolg konnten die Freundinnen und Freunde von Cannabis dagegen im Lebensmittelausschuß des Europäischen Parlaments verbuchen.
Der Ausschuß lehnte – gleichfalls kurz vor Weihnachten – einen Antrag Deutschlands ab, der darauf abzielte, Lebensmittel mit Hanfbestandteilen als „neuartige Lebensmittel“ (Novel food) einzustufen. Damit sei die Gefahr gebannt, daß „ein einzigartiges, seit Jahrtausenden auch therapeutisch bewährtes Lebensmittel“ auf eine Stufe mit Gen-Tech-Nahrung gestellt werde, freute man sich bei Hanf Haus.
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