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Absurden Ausstieg abschalten

HEW-Vorstand provoziert Machtkampf mit dem rot-grünen Senat: Vor 2012 soll kein Atommeiler vom Netz genommen werden  ■ Von Sven-Michael Veit

Das böse Ende zum Schluß. Pünktlich zu Silvester zündete Manfred Timm ein paar kräftige Böller. „Die Atomkraftwerke sind unsere strategische Überlebenswaffe“, vertraute der Vorstandschef der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) gestern der Deutschen Presseagentur an. Es sei „absurd zu glauben“, so Timm, „wir könnten künftig unsere ganzen Kraftwerke abschalten“. Alle AKWs sollten „möglichst ihre volle Betriebsdauer von 40 Jahren absolvieren“.

Ein Ausstieg aus der Atomkraft komme deshalb frühestens in 15 Jahren in Frage. Dann, 2012, wäre der Reaktor in Stade, der älteste der HEW-Atommeiler, 40 Jahre am Netz. Außerdem ist der stadtstaatliche Stromkonzern zusammen mit dem Hannoveraner Energiemulti PreussenElektra Betreiber der AKWs Brunsbüttel (seit 1976), Krümmel (1983) und Brokdorf (1986).

Timms Äußerungen „widersprechen dem Koalitionsvertrag und auch der Satzung der HEW“, polterte der grüne Umweltsenator Alexander Porschke umgehend zurück. Wer sich auf die Atomkraft festlege, ohne „wirtschaftlich vertretbare“Alternativen zu prüfen, betreibe eine „bedauerlich ideologische Unternehmenspolitik“.

In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom November hatten SPD und GAL das „Festhalten am Ausstieg aus der Atomenergie“bekräftigt und erklärt, daß sie „den Verzicht auf den Einsatz von Kernkraftwerken für erforderlich halten“. Die Abschaltung des Meilers in Brunsbüttel bereits zum Jahr 2002 sowie „die Stillegung“weiterer Atomkraftwerke solle in Verhandlungen mit den HEW erreicht werden. Zugleich hatte Rot-Grün vereinbart, gutachterlich prüfen zu lassen, ob neuartige Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) wirtschaftlicher seien als die bestehenden AKWs.

Für den HEW-Chef steht das Ergebnis dieses Gutachtens bereits fest. Daß ein neues GuD-Kraftwerk „günstiger ist als die laufenden Kosten eines abgeschriebenen Atomkraftwerkes“, hält Timm „für nicht möglich“. Sein Pressesprecher Johannes Altmeppen bemühte gestern gegenüber der taz weichere Formulierungen: „Nach unseren Rechnungen“, so Altmeppen, seien AKWs. eben billiger

Sollte das Gutachten aber „wirtschaftlich präzise Rahmenbedingungen“nachweisen, welche diese Berechnungsbasis langfristig ändern könnten, stünden die HEW dem „natürlich konstruktiv und kooperativ“gegenüber. Von einem drohenden „Konflikt mit dem Senat“wollte Altmeppen nicht sprechen: „Es ist das gute Recht der Regierung, ein Gutachten erstellen zu lassen, das sie für sinnvoll hält.“

Die Machtprobe zwischen den HEW und dem Senat scheint trotzdem unausweichlich. Denn Hamburg hält mit 50,2 Prozent der Anteile die Mehrheit am Stromkonzern und stellt zwei Mitglieder des Aufsichtsrats. Vorsitzender ist der neue Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), zweiter städtischer Kontrolleur im obersten HEW-Gremium ist Umweltsenator Porschke.

Was die beiden dort zu tun haben, definiert Punkt 9.3.8 der rot-grünen Regierungsvereinbarung: „Die Koalitionspartner werden sich im Aufsichtsrat der HEW für eine ausstiegsorientierte Geschäftspolitik einsetzen.“

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