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Neue Ermittlungen in tragischem Todesfall

■ Vor zwei Jahren starb ein Studentenpärchen an einer Kohlenmonoxidvergiftung, weil das Abluftrohr der Gastherme durch Mörtel verstopft war. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen den Hausbes

Zwei Jahre nach dem tragischen Tod zweier junger Leute an einer Kohlenmonoxidvergiftung in Prenzlauer Berg hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Besitzer des Hauses Gethsemanestraße 3, Kuno Naehrig, erneut aufgenommen. Nachdem die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung im August vergangenen Jahres wegen unzureichendem Tatverdacht eingestellt worden waren, war jetzt die Beschwerde der Anwälte der Eltern der Toten erfolgreich. Justizsprecherin Michaela Blume bestätigte gegenüber der taz, daß die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung gegen Naehrig und gegen Unbekannt erneut aufgenommen wurden.

Die 24jährige Nicole Schröder und ihr 27jähriger Freund Christoph Kretschmann waren in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1995 in ihrer Wohnung im vierten Stock des Seitenflügels in der Gethsemanestraße 3 gestorben. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung der beiden Studenten aus Essen und Baden-Baden hatte als Todesursache eine Kohlenmonoxidvergiftung ergeben. Ursache der Vergiftung war eine Gastherme im Schlafzimmer, deren Ableitungsrohr durch Mörtel verstopft war.

Naehrig hatte 1992 die Häuser in der Gethsemanestraße 1 und 3 zurückerhalten, die sein Urgroßvater Ende des vergangenen Jahrhunderts gebaut hatte. Seitdem liegt er im Clinch mit dem Bezirksamt. Weil viele seiner Pläne – der Bau eines Wohnheimes, die Umwandlung von Wohnungen in Gewerberäume – abgelehnt wurden, stehen noch jetzt etliche Wohnungen leer.

Daß die Kohlenmonoxidwerte doppelt so hoch wie zulässig waren, hatte der Bezirksschornsteinfegermeister bereits bei Messungen im Oktober und Dezember 1995 festgestellt. Der Staatsanwaltschaft gegenüber hat er ausgesagt, sowohl Naehrig als auch dem Bauamt die Mängelprotokolle mit dem Hinweis auf „konkrete Gefahr“ zugeschickt zu haben. Gegenüber der taz hatte er jedoch im Herbst 1996 gesagt, daß er den Tod der Studenten als „Unfall“ ansehe, „unnötig wie alle Unfälle“.

Naehrig bestreitet, die Meßprotokolle und die Rechnungen des Schornsteinfegers erhalten zu haben. Somit habe er von der defekten Therme nichts gewußt. Der Hausbesitzer, der in den 80er Jahren Stadtbaurat in Fulda war, schiebt die Schuld seinen ehemaligen Mietern zu. Mieter seien für die Wartung der Gastherme selbst verantwortlich, sagt Naehrig, der als Architekt von 1992 bis 1994 technischer Direktor des Sony- Projektes am Potsdamer Platz und danach Geschäftsführer der auf Immobilienfonds spezialisierten Kap-Hag-Gruppe war.

Zwei Wochen nach dem Tod des Studentenpaares wandte er sich jedoch mit einem Aufruf im Hausflur an alle Mieter: „Wir sind beauftragt worden, schnellstmöglich die Gasgeräte in Ihren Wohnungen auf Dichtigkeit und einwandfreie Tauglichkeit zu überprüfen.“

Die Staatsanwaltschaft beließ es bei ihren ersten Ermittlungen bei der Erkenntnis, daß die Angaben des Hausbesitzers der Aussage des Schornsteinfegers „unvereinbar gegenüberstehen“. Weil die Ermittler nicht widerlegen konnten, daß Naehrigs Behauptung, die Protokolle nicht erhalten zu haben, vielleicht eine „Schutzbehauptung“ war und die Durchsuchungen bei ihm und dem Bauamt nichts ergeben hatten, kamen sie zu dem Schluß, „daß die beiden Mängelprotokolle ... auf dem Postwege verlorengegangen sind“.

Daß der Hauswart, der Naehrig nach Angaben von Mietern bei Renovierungsarbeiten unterstützt und sich bei der Mutter von Christoph Kretschmann wenige Tage nach dem tragischen Tod telefonisch erkundigt hatte, was passiert sei, vielleicht den Hausbesitzer gewarnt haben könnte – dem ging die Staatsanwaltschaft ebensowenig nach wie dem Verbleib der Protokolle und Rechnungen.

„Es wurde von Anfang an schludrig ermittelt“, sagt Frank Rüdiger Baatz, der Rechtsanwalt des Vaters von Nicole Schröder. Wichtige Punkte seien in den Ermittlungen untergegangen. Diese hatten sich zu einem Großteil auf die ehemalige DDR-Firma konzentriert, die damals die Therme eingebaut hatte und längst nicht mehr existiert. Die Staatsanwaltschaft müsse „Ermittlungseifer kriegen“, schimpft der Anwalt, wenn Schreiben verlorengehen. Für die Eltern ist es furchtbar, daß zwei Jahre nach dem Tod ihrer Kinder die Verantwortlichen immer noch nicht ermittelt sind. Barbara Bollwahn

Siehe auch Bericht Seite 23

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