: Das große Feilschen beginnt
■ StudentInnen treffen sich zum Kongreß, Senator Radunski lädt dagegen zu Reformseminaren. Diese Woche Abstimmungen, ob Unistreik weitergeführt wird. Weitere Demos angekündigt
Heute endet an den Unis die „vorlesungsfreie Zeit“. Ob die StudentInnen deshalb wieder in die Hörsäle, Seminarräume zu den ProfessorInnen strömen, ist jedoch unklar. Schließlich werden die drei großen Unis nach wie vor bestreikt – so haben es die Vollversammlungen noch im alten Jahr beschlossen. Gleich zu Beginn der Woche entscheiden sie aber, ob der Ausstand wirklich weitergeht: Am Montag um 12 Uhr im Audimax der Humboldt-Uni, am Dienstag um 14 Uhr in der Silberlaube der Freien Universität und am Mittwoch um 12 Uhr im Audimax der Technischen Uni. An der Humboldt-Uni ist darüber hinaus eine Urabstimmung geplant.
Neuen Schwung erhoffen sich die AktivistInnen vom bundesweiten Kongreß „Bildung und Gesellschaft“, der von Donnerstag bis Sonntag an der TU und HU tagt. Eckhard Wiederholt, einer der OrganisatorInnen, hofft auf ein „Ergebnis, das als Entscheidungshilfe für die Politik dienen kann“. Angesichts konkreter Forderungen geht er davon aus, daß dann „hoffentlich nicht mehr alle Politiker an unserer Seite stehen“. Der Kongreß beginnt am Donnerstag um 17 Uhr im TU-Audimax. Am Freitag und Samstag beschäftigen sich Arbeitsgemeinschaften mit Themen aus den Bereichen Hochschulstruktur, Lehre, Ethik, Bildungszugang, Wirtschaft, Protestorganisation sowie Macht und Medien. Das Abschlußplenum tagt am Sonntag um 10 Uhr an der HU.
Zu einer bundesweiten Demo, die am Samstag um 18 Uhr am Brandenburger Tor startet, erwarten die OrganisatorInnen eine fünfstellige Zahl von TeilnehmerInnen. „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, lautet das bei Immanuel Kant entlehnte Motto, das die StudentInnen zum Ausgang aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit animieren soll. Am 14. Januar sollen dann wieder die „Mittwochsdemos“ beginnen.
Auch die Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung, Kerstin Schneider, hofft, daß das Jahr 1998 „im Zeichen der Hochschulpolitik“ steht. Diese Woche wollen nämlich nicht nur die StudentInnen über die Zusammensetzung ihres „Runden Tischs“ zur Uni-Politik beraten, auch Radunski will zu den „Reformseminaren“ einladen, die er im Dezember angekündigt hatte. Sie würden mit dem Senator selbst, seinem Staatssekreträr Erich Thies und den jeweils zuständigen Fachbeamten „hochrangig besetzt“, verspricht Schneider. Sie hofft, daß die StudentInnen dort „Mißstände konkret benennen“, um „pragmatische Veränderungen“ zu ermöglichen.
Eine Bestandsaufnahme sollen auch die Verhandlungen zwischen den Hochschulen und dem Senat über die Finanzierungsverträge liefern. Ab April beginnt dann das große Feilschen, wieviel Geld die Unis in den Jahren 2001 bis 2004 bekommen. Die Hochschulen hoffen, daß ihnen die zeitliche Nähe zu den Protesten dabei den Rücken stärkt.
Sie sollten sich jedenfalls beeilen, denn im Mai steht die nächste Steuerschätzung an. Sie wird die Geberlaune der Landesregierung kaum fördern. Das gilt auch für die Debatte um den Länderfinanzausgleich, die ebenfalls Einbußen befürchten läßt. Die Finanznot wird auch die Debatte um Studiengebühren weiter anheizen. Statt die Stimmung zu besänftigen, hatte Radunski schon bei seinem Auftritt an der Humboldt-Uni im Dezember dieses Thema angeschnitten. Er riet den StudentInnen, „rechtzeitig darüber nachzudenken“, denn „Studiengebühren werden sowieso kommen“. Auch eine Gruppe von Professoren der Humboldt-Uni propagiert inzwischen einen solchen Obulus, allerdings sozialverträglich nach australischem Modell: Die StudentInnen können sich das Geld aus einem Darlehensfonds leihen und zahlen es zurück, wenn sie später gut verdienen. Die Frage ist nur, wer diesen Fonds finanziert, denn die Hochschulen brauchen das Geld jetzt.
Welche Richtung eine Uni-Reform einschlagen soll, bleibt also weiter strittig. Einig sind sich alle Beteiligten nur, daß sich etwas bewegen muß. „Ich weiß nicht, ob wir noch an die Politik glauben“, meint Maya Pfeffer von der Studentischen Presseagentur an der FU, „aber wir hoffen zutiefst, daß etwas passiert.“ Ralph Bollmann
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